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Von Eisbären und dunklen Fenstern

Der Klimawandel und das anthrazitgraue PVC-Fenster
Von Eisbären und dunklen Fenstern

Dunkel folierte Kunststofffenster in Anthrazit, Grau oder dunklen Holzdekoren liegen im Trend. Dagegen spricht grundsätzlich nichts, allerdings sollten bei der Kundenberatung, dem Einsatzort und in der Fertigung einige Dinge beachten werden. Denn Fenster in Anthrazit können sich z. B. durch Sonneneinstrahlung auf über 70 °C erhitzen und dadurch verziehen oder reißen. Im Vergleich erwärmt sich ein weißes PVC-Fenster nur auf ca. 40 °C.

 

Claudius Freiberg

Sicher werden sich jetzt viele Tischler- und Schreinerkollegen fragen, was hat denn ein Eisbär mit dunklen Fenstern zu tun? Doch der Zusammenhang ist nicht von der Hand zu weisen: Wir leben leider in Zeiten des Klimawandels und der Eisbär wird zu einem Symbol dafür. So wie die Eisbären zu kämpfen haben mit der steigenden Erderwärmung und dem Rückgang der Eispanzer, so haben auch unsere Fenster, besonders mit modischen dunklen Farben, Probleme mit der zunehmenden Erwärmung. Aber kämpfen sie auch ums Überleben? Ja und Nein heißt meine Antwort. Klar ist ein Eisbär von absolut essenzieller Bedeutung im Gegensatz zu einem PVC-Fenster. Aber beide haben mit großen Problemen durch den Klimawandel zu kämpfen.

Das größte Schadpotenzial in unserer Branche liegt hier bei PVC-Fenstern mit dunkler Kaschierfolie. Mit dunkel meine ich nicht nur das seit gefühlt einer halben Ewigkeit so populäre Anthrazitgrau, sondern auch Farben wie Schwarz, Schokobraun, Moosgrün und DB 703.
Hellere Fenster aus PVC sind hier genauso ausgenommen wie die mit Alu-Vorsatzschale, solche aus reinem Aluminium oder Holz- bzw. Holz-Alu-Fenster. Woran liegt das? Zum einen haben wir in Deutschland nicht nur eine starke Zunahme der UV-Strahlung, sondern auch eine starke Zunahme des Gesamtwärme-Energieeintrags in unsere Oberflächen.

Reflektieren und absorbieren

Ich erspare mir jetzt einen tiefen Einstieg in die Physik und bringe hier mal eine einfache Regel ein: Helle Oberflächen reflektieren mehr, dunkle Oberflächen absorbieren mehr. Der Effekt ist jedem klar. Ein weißer Gegenstand wird nicht so heiß wie ein dunkler bei gleicher Wärmeeinstrahlung.
Bei PVC-Fenstern haben wir eine Vicat-Erweichungstemperatur VST von 78 bis 82 °C. Ab dieser Temperaturgrenze wird das Material weich und beginnt sich zu verformen. Das bedeutet, dass wir bei PVC-Fenstern die kritische Marke von 78 °C nicht überschreiten sollten, da dies sonst zu Verformungen und Stabilitätsverlust führen kann.

Nun tun die Folienhersteller ja schon sehr viel um die Wärme aus den Profilen wegzuhalten. Folien mit Nanopartikeln sind heute in der Lage, die Oberflächentemperatur um durchschnittlich 5 °C niedriger zu halten als solche ohne. Ein weiterer Schritt war das Aufbringen einer weißen Grundfolie auf die dunkle Deckfolie. Das hat aber den Nachteil, dass die Folie anstatt 250 bis zu 350 µm dick ist und somit auch die Gefahr des Folienverschubs z. B. an Kopplungen stark zunimmt.

Verbände geben hilfreiche Empfehlungen

Dass den Herstellern und ihren Verbänden die Problematik bewusst ist, beweist ein Blick in den technischen Leitfaden „Farbige Kunststoffprofile für Fenster und Haustüren: richtig planen und einsetzen“ der RAL-Gütegemeinschaft Kunststoff-Fenstersysteme e. V.

In diesem Leitfaden stehen Sätze wie „In Südlagen eignen sich Profile in hellen Farben oder mit wärmereduzierenden Eigenschaften“ oder „stark reflektierende Fensterbänke erzeugen einen zusätzlichen Wärmeeintrag“: Hiermit sind vor allem die speziell bei anthrazitgrauen Fenstern beliebten im Naturton (E6/EV1) anodisierten Alu-Fensterbänke gemeint, die im Gegensatz zu einer ebenfalls anthrazitgrauen, pulverbeschichteten Fensterbank die Oberfläche des unteren Blendrahmens um bis zu 9 °C stärker aufheizen können. Hier sind wir bei dem Thema Reflextion zu Absorbtion. Die anodisierte Fläche reflektiert sehr stark, während die dunkel beschichtete Oberfläche die Wärme absorbiert, die Fensterbank heizt sich stärker auf, was aber keine negativen Auswirkungen auf des PVC-Fenster hat.

In diesem Leitfaden ist auch die Rede von kritischen Einbaulagen, die bei dunklen Profilen zu vermeiden sind, also alle Einbaulagen bei denen sich die Wärme stauen kann. Die heute so oft anzutreffenden Sanierungen mit WDVS führen z. B. dazu, dass das Fenster noch weiter in der Mauerwerksöffnung zurücksteht als zuvor. Hier ist keine Konvektion mehr möglich und die Hitze staut sich vor dem Fenster. Das Gleiche gilt für Innenecken aus Fensterelementen wie z. B. bei einem Atrium bzw. Patio. Die zunehmende Gefahr von Eckenrissen hatte ich bereits in meinem BM-Artikel „Neues Schreckgespenst im Fensterbau“ (siehe BM 01/22, S. 22 ff.) erläutert.

Wärmeberechnung nicht vergessen

Die Systemhäuser bieten mittlerweile Tools für die Wärmeberechnung an, die helfen sollen, kritische Lagen und Einbausituationen zu vermeiden, bitte nutzen Sie diese bzw. fragen Sie Ihre Lieferanten danach.

Ein ebenfalls oft vorkommender Fehler ist das „Vergessen“ der Stahlarmierung bei horizontalen Verbreiterungsprofilen. Durch die Erwärmung wird das PVC weich und der Druck der darüberliegenden Fensterelemente führt zu ungewollten Verformungen.

Gute Beratung verhindert Reklamationen

Als Rat kann ich nur mitgeben: Sagen Sie auch mal Nein, speziell wenn es um den Einbau dunkler PVC-Fenster im Oberrheingraben, dem Alpenvorland und anderen warmen Ecken Süddeutschlands geht. Versuchen Sie Ihre Kunden von den Vorteilen der Alu-Vorsatzschale zu überzeugen, wenn es unbedingt dunkle PVC-Fenster sein sollen. Wir alle wissen nicht, wie schnell sich die Erwärmung weiterentwickelt, kühler wird es auf keinen Fall mehr. Unsere Fenster sollen ja die nächsten 30 Jahre halten, wissen wir, wie dann das Klima ist? Die Probleme die erst nach der Montage auftreten häufen sich bei dunklen Fenstern ebenfalls. Zwar sind hier meist nachfolgende Gewerke als Verursacher in der Haftung, was Sie als Lieferant und Montagebetrieb dazu beitragen können, dass das nicht passiert, erfahren Sie in meinem nächsten Artikel.


Der Autor

Schreinermeister Claudius Freiberg (63), ö. b. u. v. Sachverständiger im Tischler-/Schreinerhandwerk, beschäftigt sich mit der Sanierung von Oberflächenschäden an Fenstern und Türen.

www.schreiner-sachverständiger.de

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