Die Landesbauordnungen Brandenburg (BbgBO) fordert seit langem im Paragraf 38 (1) Umwehrungen, dass bauliche Anlagen zu umwehren oder mit Brüstungen zu versehen sind. „Dies gilt für Flächen, die im Allgemeinen zum Begehen bestimmt sind und unmittelbar an mehr als ein Meter tiefer liegende Flächen angrenzen; dies gilt nicht, wenn die Umwehrungen dem Zweck der Flächen widerspricht, …“ Weiter heißt es (3): „Fensterbrüstungen von Flächen mit einer Absturzhöhe bis zu 12 m müssen mindestens 0,80 m, von Flächen mit mehr als 12 m Absturzhöhe mindestens 0,90 m hoch sein. Geringere Brüstungshöhen sind zulässig, wenn durch andere Vorrichtungen wie Geländer die nach Absatz 4 vorgeschriebenen Mindesthöhen eingehalten werden.“
Dabei bezeichnet der Begriff Umwehrungen alle Arten von Absturzsicherungen, sowohl geschlossene als auch durchbrochene. Brüstungen sind Absturzsicherungen, die unmittelbar über der Standfläche beginnen und, im Gegensatz zu meist durchbrochenen Geländern, eine geschlossene Innenfläche besitzen, wie z. B. Fenster- und Balkonbrüstungen. Brüstungen erhöhen in der Regel das subjektive Sicherheitsgefühl.
Bisher galt in Brandenburg dass bei Fensterbrüstungen die Höhe der unteren Fensterblendrahmen mitgezählt werden kann. Verankert war die Lesart der Regelung im Protokoll der 67. Arbeitsleitertagung der Bauaufsichtsbehörde des Landes vom 8. Dezember 2010. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass laut Entscheidungshilfe eine Brüstung von mindestens 0,20 m zur Einstufung als Fensterbrüstung führt. Für manche Bausituationen ist wichtig, dass auch schon in der Vergangenheit das Arbeitsstättenrecht größere Umwehrungen fordert. Im Hamburgischen Bauprüfdienst aus 3/2000 wird über die Klettergefahr zitiert, das waagerechte Flächen, die weniger als 70 cm über dem Fußboden liegen, in Gebäuden mit denen mit unbeaufsichtigten Kleinkindern zu rechnen ist, verbietet.
Mit der BbgBO-Fassung vom 15. November 2018 gab es auch eine Entscheidungshilfe zum Vollzug der brandenburgischen Bauordnung. Mit dieser wird für den §38 Abs. 3 folgendes angemerkt: „Die Höhe der Brüstung ist i. d. R. von der Oberkante Fertigfußboden bis zur Oberkante Fensterbank oder eines anderen feststehenden brüstungsähnlichen Bauteiles ohne Hinzurechnung des Fensterrahmens zu messen. Befinden sich vor der Fensterbrüstung Bauteile, wie Leitungsschächte oder Lüftungskanäle, die zum Daraufsteigen geeignet sind, ist von der Oberkante dieser Bauteile zu messen.“
In der Konsequenz bedeutet dies, dass übliche Brüstungshöhen von ca. 75 cm, die zuzüglich eines durchschnittlich anzunehmenden, feststehenden Rahmenanteils von 7 cm nun nicht mehr ausreichen, um die Anforderung einer 80 cm hohen Brüstung hinsichtlich der Landesbauordnung einzuhalten.
Daher der Tipp, sowohl für den Neubau, als auch den Altbau gilt: Prüfen Sie die entsprechende Brüstungshöhe der Fenster! Im Zweifel melden Sie Bedenken an, oder fordern eine entsprechende Aufstockung der Brüstung. Zu niedrige Umwehrungen können noch mit einer nachträglichen Stange gesichert werden, aber wer trägt die Kosten, wenn nicht rechtzeitig vom Unternehmen hingewiesen wurde? Zwar formuliert die Vorbemerkung der Entscheidungshilfe, dass diese den Bauaufsichtsbehörden und den am Baubeteiligten die Anwendung der BbgBO erleichtern soll und somit nicht bindend sei, sondern eine Empfehlung der obersten Bauaufsichtsbehörde an die unteren Bauaufsichtsbehörden des Landes Brandenburg. Inwieweit dies von einer Bedenkenanmeldung befreit, mag bezweifelt werden.
Auslegungsaspekte der Landesbauordnungen
Die Ausbildung von Umwehrungen und Brüstungen hängt maßgeblich von der Art und Nutzung einer baulichen Anlage ab. In einschlägigen Kommentaren, Durchführungsvorschriften und Merkblättern finden sich Hinweise, dass eine Auftrittsbreite von 3 cm bereits als neue Standfläche für Kleinkinder gilt, von der aus die Mindesthöhe zu messen ist. Hinsichtlich der Konkretisierung für Gebäude mit kleinen Kindern wird nun eine abstrakte Anforderung formuliert. Umwehrungen sind so auszuführen, dass eine Leiterwirkung nicht möglich ist. Dies gilt insbesondere für Kindergärten oder für Mehrfamilienhäuser, so die Entscheidungshilfe.
Bedauerlich ist, dass die Landesbauordnungen in den einzelnen Bundesländern immer wieder im Detail anders sind. Das eine Mal sind es 3 cm, die eine Standfläche bilden, das andere Mal 4 cm. Auch die Definition der Brüstung ist nicht überall gleich. Viele Landesbauordnungen beziehen sich auf eine Brüstung mit 20 cm. Manche fordern aber auch für die innere Fensterbank eine Brüstungstiefe von 15 cm. Also Augen auf, was die Details angeht. Diese sind häufig nur in einer Kombination mit der jeweiligen Landesbauordnung und weiteren Folgedokumenten, z. B. in Hamburg dem „Bauprüfdienst“ oder eben in Brandenburg mit der besagten Entscheidungshilfe zur Landesbauordnung, zu finden.
Der Autor
Ralf Spiekers ist Abteilungsleiter Technik, Normung und Arbeitssicherheit bei Tischler Schreiner Deutschland.