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Kundenauftrag statt Gesellenstück

Schweiz: Schreinerlehre wurde von Grund auf neu gestaltet
Kundenauftrag statt Gesellenstück

Die Schreinerlehrlinge der Schweiz werden künftig nach neuen Regeln ausgebildet. Nicht mehr die holztechnische Meisterschaft steht im Fokus, sondern die an der Realität orientierte, ganzheitliche Ausbildung zu selbstständig arbeitenden Fachleuten. Auch bei der Gesellenprüfung geht man ganz neue Wege: Die angehenden Gesellen schließen ihre Lehrzeit mit einem echten, vollkommen eigenständig gemanagten Kundenauftrag ab.

Die bisherige Grundausbildung der jungen Schreiner in der Schweiz verlief starr, mit wenig Realitätsbezug, im sprich- wie im wortwörtlichen Sinne „hölzern“. Es wurde viel Wert auf das Handwerkliche gelegt: Hobeln, Zinken schneiden, Holzarten erkennen, technische Zeichnungen erstellen, einfache Kalkulationen ausführen … Fach um Fach mussten die jungen Berufsleute theoretisch pauken und in der Werkstatt üben, ohne dass die Praxisrelevanz der Anstrengungen je ernsthaft diskutiert worden wäre. Die vier Lehrjahre bestanden aus Werkstatt, wöchentlich einem Tag Berufsschule sowie einigen Intensivkursen. Sie wurden schlussendlich von einer Lehrabschlussprüfung gekrönt, die mitunter auch als Fiasko endete. Für die praktische Prüfung entwarf der zentrale schweizerische Berufsverband jährlich ein einheitliches, oft wenig brauchbares Kleinmöbel, an dem der junge Schreiner seine manuelle Routine nochmals unter Beweis stellte.

Kundenkontakte, fächerintegrierendes Lernen und Arbeiten, Projekt- und Selbstmanagement, Überzeugen und Verkaufen, mentale Stärke und vernetztes Denken? Bisher lauter Fremdworte in der helvetischen Schreinerlehre. Doch das wird nun anders!
Praxisorientiert und ganzheitlich
Moderne lernpädagogische Ansätze, Praxisnähe und eine flexible Gestaltung prägen die neue Schreinerlehre in der Schweiz. Das lässt sich schon an der Grundstruktur erkennen, die für alle Lehrlinge und Lehrtöchter – bei den Schweizer Schreinern heißen sie neu „Lehrfrauen“ – eine dreijährige Grundausbildung zum Erlernen definierter Fertigkeiten vorsieht. Im vierten Lehrjahr können die Weichen in Richtung „Möbel/Innenausbau“ oder „Bau/Fenster“ gestellt werden. Der Lehrling kann sich also schon während der Lehrzeit seinen Vorlieben oder den betrieblichen Gegebenheiten entsprechend für eine Schwerpunktrichtung entscheiden.
Als Anpassung an die moderne Schreinerwelt gilt auch die feste Integration von CAD- und CNC-Know-how im Lehrplan. In diesem Bereich sind die helvetischen Berufsschulen heute mehrheitlich modern ausgerüstet und können die grundlegenden Kenntnisse im Umgang mit allen C-Technologien im Schreinerbetrieb vermitteln. Romain Rosset, Bereichsleiter Aus- und Weiterbildung beim Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten VSSM in Zürich, freut sich besonders über diese Entwicklung: „Unsere Berufspädagogen haben der Elektronisierung des Schreinerhandwerks Rechnung getragen.“
Ein weiteres Merkmal der neuen schweizerischen Schreinerlehre ist der Ausbildungsordner „lehre.doc“. Er begleitet Lehrfrauen und Lehrlinge als roter Faden durch die gesamte Ausbildung und ist auch Ausbildern, Berufsschullehrern und Eltern eine Orientierungs- und Kontrollhilfe zum beruflichen Werdegang der jungen Menschen. Neben wertvollen Tipps und Anregungen fordert dieses Werkstatt-Vademecum die Lernenden auf, ihre Erfahrungen und Fortschritte eigenhändig zu dokumentieren. Dabei sollen die Jungschreiner ihre Lernerlebnisse in einzelnen Schritten hinterfragen, begründen und erklären. Damit zeigen sie, ob sie ihre Arbeit wirklich verstanden haben. Der Ordner „lehre.doc“ fördert das systematische Planen, Strukturieren und Auswerten von Auftragsarbeiten. Er bietet damit über die Schreinerwerkstatt hinaus Anregungen zur Lebensführung. Romain Rosset erklärt Sinn und Zweck von „lehre.doc“ wie folgt: „Wir erreichen damit die bestmögliche Vernetzung und Integration unserer jungen Berufsleute in den Betrieb sowie ins gesamte berufliche Umfeld.“
Transparenz statt Prüfungsstress
Die neu gestaltete Schreinerlehre beinhaltet als weiteres Merkmal die Aufteilung der Schlussprüfung in zwei Teile. Der erste Teil findet nach Abschluss der Grundausbildung am Ende des 6. Semesters statt. „Es handelt sich um einen integrierenden Bestandteil der Lehrabschlussprüfung und nicht um eine Zwischenprüfung“, erklärt Romain Rosset das neue Prüfungsreglement. Die Teilprüfung ist praktischer Natur. Es geht um die Herstellung eines Fragments, an dem alle gängigen Fertigkeiten im Umgang mit Handwerkzeug und Maschinen gezeigt werden können. Neu ist, dass die Prüfungsfragmente für die Prüflinge in einem Sammelordner verfügbar sind. Es kann also jeder Lehrling die an der Teilprüfung auf ihn zukommenden Aufgaben vorher einsehen und sich entsprechend darauf vorbereiten. Romain Rosset dazu: „Diese Transparenz bei der Prüfung entspricht dem Vorgehen bei der Fahrprüfung. Wir erwarten bessere Ergebnisse, wenn man sich ganz gezielt auf klare Anforderungen vorbereiten kann. Wir vermeiden damit unnötigen Prüfungsstress durch Unsicherheit und unklare Verhältnisse.“
Transparenz wird auch bei den theoretischen Schlussprüfungen am Ende der Lehrzeit gepflegt. Hier steht den Anwärtern ein Fragenkatalog mit Musterprüfungen zur Verfügung. Die theoretischen Prüfungen sind nicht mehr vom Abfragen einzelner Fachbegriffe oder Kennwerte geprägt. Vielmehr werden die Kenntnisse anhand eines Fallbeispiels fächerübergreifend diskutiert. Man konzentriert sich dabei auf die Fähigkeit der Lehrlinge, vernetzte Zusammenhänge erkennen und darlegen zu können.
Die Erfahrungsnote aus der Berufsschule fließt jetzt ebenfalls in die Schlussnote ein, was das Bild der erbrachten Prüfungsleistungen objektiviert und absichert. „Teilprüfung und Schlussprüfung bieten Gelegenheit zum planmäßigen Erarbeiten fest umrissener, klarer Inhalte. Denn die Schreinerpraxis ist nicht ein Herumtappen im Nebel, sondern ein solides Vorbereiten und gekonntes Ausführen klarer und übersichtlicher Aufgaben. Das wollen wir trainieren.“
Die individuelle Produktivarbeit IPA
Die markanteste Neuerung ist die „Individuelle Produktivarbeit IPA“. Sie ersetzt das früher unter Stress hergestellte Prüfungsmöbel (Gesellenstück) und ist im Verlauf des 8. Lehrsemesters auszuführen. Bei der IPA handelt es sich um einen echten Kundenauftrag, den die Jungschreiner komplett von A bis Z ausführen. Die IPA fordert die jungen Berufsleute in Bereichen heraus, die weit über das Handwerkliche hinausgehen. „Statt wie bisher eine manuelle Trockenübung abzuhalten, wollen wir die Aktivität, Initiative und Handlungsfähigkeit der Lehrlinge anhand eines realen Praxisbeispiels prüfen“, erläutert Romain Rosset die Überlegungen hinter der IPA. Der Lehrbetrieb stellt einen einfachen Kundenauftrag zur Verfügung, der von zuständiger Stelle genehmigt wird. Der bald ausgelernte Lehrling pflegt die Kundenkontakte soweit nötig, erstellt alle technischen Unterlagen und Kalkulationen, besorgt Materialien und Zubehör und führt den Auftrag in eigener Regie aus. Die Überwachung geschieht zum einen durch seinen Ausbilder im Betrieb. Zusätzlich kommt für jede IPA mindestens zweimal ein neutraler „Wanderexperte“ auf Betriebsbesuch. Als Fachperson begleitet dieser Experte die IPA kontrollierend und beratend im Auftrag der Berufsverbände.
Wegen der nicht direkten Vergleichbarkeit der einzelnen Aufträge geht es also nicht mehr um Zehntelsmillimeter, Leimfugendicke oder Querschliff im Längsfries, sondern um die ganzheitliche Aufgabenbewältigung.
Der Kundenauftrag ist von den Prüflingen als Projektarbeit umfassend zu dokumentieren. Krönender Abschluss der IPA ist zum einen die Übergabe an den Kunden. Zum anderen gehört die Präsentation des Auftrags vor einer Expertenrunde dazu, der ein intensives Fachgespräch folgt. Es geht hier um Präsentationstechnik, um Sprache und Überzeugungskunst – also um das Verkaufen im weiteren Sinne. Aber auch profundes Fachwissen zur IPA ist gefragt, denn die Experten fühlen dem Prüfling anhand seiner Arbeit nochmals gehörig auf den Zahn. „Mit der IPA haben wir uns endgültig von der praxisfernen Modell-Übung verabschiedet“, resümmiert Romain Rosset die Integration des echten Kundenauftrags in die Lehrabschlussprüfung. „Heute steht die berufliche Realität im Zentrum unserer Überlegungen. Wir wollen mit der neu strukturierten Schreinerlehre die jungen Auszubildenden zu echten Schreinerprofis machen, kundenorientierte und selbstständig handelnde Vertreter eines zeitgemäßen und dynamischen Holzhandwerks.“
Die schweizerische Schreinerwelt
Der Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten VSSM führt die Oberaufsicht über die gesamte berufliche Aus- und Weiterbildung für Schreiner in der deutschen und italienischen Schweiz. Er beschäftigt insgesamt rund 45 vollamtlich Mitarbeitende.
In der deutschen Schweiz und im Tessin sind ca. 2500 von insgesamt 3850 Schreinereien dem VSSM angeschlossen. Das entspricht einem Organisationsgrad von 65 %. In der deutschen und italienischen Schweiz werden jährlich rund 1200 Lehrverträge abgeschlossen. Damit sind ständig knapp 5000 Lehrlinge in der Ausbildung.
Andreas Grünholz
Weitere Informationen:
VSSM, Bereich Berufsbildung
Gladbachstraße 80
CH-8044 Zürich
Tel 0041 1 2678100
Fax 0041 1 2678153

Fachwissen für Fensterbauer

Standardwerk

Der schweizerische Fachverband Fenster- und Fassadenbranche FFF hat eine umfassende Lehrunterlage für Fensterbauer erarbeitet. Das Standardwerk will einerseits den Auszubildenden im Fensterbau grundlegendes Fachwissen vermitteln, andererseits aber auch als Kompendium und technischer Ratgeber allen im Fensterbau tätigen Fachleuten dienen. Es enthält breites Grundlagenwissen zum Thema Fenster, das teilweise durch helvetische Besonderheiten ergänzt ist. Der Lehrgang setzt die Grundkenntnisse des Schreinerberufs voraus und dringt tief in die Fachbereiche Holz- und Kunststoff-Fensterbau vor. Inhaltlich spannt sich der Bogen von den Zeichnungsgrundlagen über Systemdefinitionen und Spezialfenster hin zur Produktionstechnologie für Holz-, Holz-Metall- und Kunststofffenster, Werkzeugkunde und Oberflächenbehandlung, zu Materialkenntnissen, Dichtungen, Klebstoffen sowie zu den Beschlägen. Das Werk wird mit einer Sammlung von Fachbegriffen abgerundet, die die spezifischen Ausdrücke und Fachbezeichnungen im gesamten Fensterbau aufzeigt und erklärt. Die beiden Kapitel „Montage“ und „Fenstertechnologie“ sind in Arbeit und werden in einigen Monaten zur Verfügung stehen. Weitere Informationen:
Schweizerischer Fachverband Fenster- und Fassadenbranche FFF
Tel 0041 56 2490149
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