1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite » Allgemein »

Leichte Werkstoffe und Sandwiches à la carte

BM-Serie, Teil V: Die neuen Leichtbauwerkstoffe in der Übersicht
Leichte Werkstoffe und Sandwiches à la carte

Sich gesund zu ernähren und zu genießen, ist die Idee der „Leichten Küche“. Vorbei die Zeiten schwerer Hausmannskost. Einen sehr interessanten Blick über den Tellerrand in die neue deutsche sowie in die internationale Wellness-Küche der Werkstoffhersteller werfen unsere beiden Autoren Martin Stosch und Reinhard Grell.

Während nicht wenige Zeitgenossinnen und -genossen auf dem lebenslangen Weg zur perfekten Bikini-Figur, respektive ihrem strandtauglichen Astralkörper, selbstverständlich auf eine ausgewogene Ernährung achten, hat sich der Möbelbau seit Mitte des letzten Jahrhunderts zunehmend vollkommen einseitig von schweren, gepressten „Span- und Faserbackwaren“ ernährt. Unter dem Druck des Rohstoffmangels in der Nachkriegszeit konnten auch anfängliche Ressentiments gegenüber dem hohen Gewicht der Spanplatte (ca. 700 kg/m³) ihren Siegeszug nicht aufhalten. Und so sollte sich die Prophezeiung von Fritz Spannagel bewahrheiten, der 1954 schrieb: „Noch stehen manche Fachkreise der Holzspanplatte skeptisch gegenüber, aber es besteht kein Zweifel, dass man an dem neuen Material nicht vorübergehen kann“ [4].

Dabei bezieht sich Spannagels Aussage vor allem auf die Entwicklung einer dreischichtigen Spanplatte durch den Schweizer Ingenieur Fred Fahrni, die – ab 1946 hergestellt – unter dem Produktnamen Novopan auf den Markt kam [2]. Fahrni verlegte beim dreischichtigen Plattenaufbau die Hauptwiderstandsmomente in die Deckschichten, die – vergleichbar einem Schichtholz – aus vielen Lagen dünner, rechteckiger Flachspäne mit hoher Beleimung ausgeführt wurden. Die Mittellage als neutrale Zone dagegen wurde aus weniger verdichteten, feineren Spanfraktionen gestreut [2/4]. Bereits einige Jahre vor Spannagel konstatierte Gustav Hassenpflug, einer der Pioniere der modernen Wohnmöbelsysteme: „Neben der Notwendigkeit Holz zu sparen, ist auch ein Bedürfnis nach neuen, besseren Materialien vorhanden. […]. Auch Versuche, die Mittelschicht des Sperrholzes durch ein anders Material (z. B. gepressten Torf) zu ersetzen, sind dazu zurechnen“ [1].
Der Schritt zu einem dreischichtigen Sandwichaufbau aus Decklagen und Mittelschicht war in Zeiten des verbreiteten Tischlerplatten-Einsatzes nicht weit, denn im Prinzip müsste man auch diese Sperrhölzer zur Gruppe der Sandwichplatten zählen. So sind dann auch aus den 50er und 60er Jahren zahlreiche Serienmöbel belegt, die als „Frame-on-Board“-Konstruktion mit Papierwabenkern zwischen dünnen Sperrholz- oder Hartfaser-Deckschichten ausgeführt waren [3]. Wenn man also so will: Weniger „all you can eat“, als mehr „vollwertige, leichte Trennkost“.
Teilweise wurde schon damals der Hohlraum zwischen den Decks gar nur durch sporadisch angeordnete, schmale Holzleisten unterstützt, was durch die neue Anlagentechnik der Siempelkamp Handling Systeme in Wolfratshausen eine echte Renaissance erfahren könnte. Auf der diesjährigen Ligna+ wurde eine Fertigungsstraße für riegellose Sandwichplatten (Wabenplatten) vorgestellt, die nach Aussage des Unternehmens auf reges Interesse bei den großen Werkstoffherstellern stoße. Bei der Konzeption kombinierte der Anlagenbauer u. a. seine Erfahrung in der Produktion von Dünnst-MDF-Platten mit dem Know-how der Verpackungstechnik (automatische Bildung von Gefachen). Daraus entstand ein Sandwichkonzept, bei dem der Hohlraum zwischen den Decklagen mit einem Gitter (etwa 20 x 20 mm „Zellweite“) aus kreuzweise überschobenen Dünnst-MDF-Streifen von nur 1,2 mm Stärke und frei wählbarer Höhe gefüllt wird. Ein leicht aufquillender 2K-Reaktionsklebstoff sorgt binnen 50 Sekunden für eine stabile Verklebung der Lagen über eine kehlnahtähnliche Ausbildung der Kontaktfläche.
Die Leichtbauweise – ganz generell betrachtet – ist ein Konstruktionsansatz, der die maximal mögliche Gewichtseinsparung im Sinne der Funktionserfüllung, der ökologischen Dimension und/oder der Kostenreduktion zum Ziel hat [3]. Dabei lassen sich grundsätzlich drei verschiedene Prinzipien unterscheiden. Beim so genannten Strukturleichtbau ist man bemüht, materialintensive Bauteilauslegungen im Vorhinein zu vermeiden. Bei der Anwendung des Systemleichtbaus liegt das Ziel in der Integration verschiedener Einzelfunktionen in ein Bauteil. Betrachtet man die derzeitigen Ansätze im Möbelbau, so sind diese dem Materialleichtbau zuzurechnen. Hier kommen Werkstoffe, Verbundwerkstoffe oder Werkstoffverbunde zum Einsatz, die in Relation zum Eigengewicht über eine hohe Festigkeit und Steifigkeit verfügen. Nach der Definition von Thole sind „Leicht[bau]werkstoffe isotrope oder anisotrope Werkstoffe deren Rohdichte geringer ist, als die Rohdichte der verwendeten Werkstoffe [Rohstoffe], oder bei denen die Struktur der Rohstoffe gezielt zur mono- oder bidirektionalen Festigkeitsbildung ohne Erhöhung der Rohdichte genutzt wird“ [7].
Der erste Teil der Definition trifft fraglos auf das breite Angebot an Halbzeugen und Plattenwerkstoffen aus Fasern zu, die überwiegend im Bausektor zur Wärmedämmung und/oder Schalldämpfung eingesetzt werden. Daneben werden mittlerweile auch nahezu alle klassischen Holzplattenwerkstoffe in „Light-Versionen“ hergestellt. Der zweite Teil der Definition zielt auf mehrschichtige (bei Plattenwerkstoffen in der Mehrzahl dreischichtige) Sandwichkonstruktionen, bei denen die Decklagen paarweise die statische Gurtfunktion übernehmen und die Kernlage als Zwischenschicht die Stegfunktion ausübt, indem sie die Decklagen auf definiertem Abstand hält. Der statischen Funktion eines derartigen Werkstoffverbundes folgend, resultiert die Gewichtseinsparung aus der intelligenten Struktur der Mittellage, deren Dichte über geometrisch bestimmte Hohlräume auf ein zulässiges Minimum reduziert ist. Schließlich lassen sich zudem beide Arten untereinander sowie mit dem Einsatz von Werkstoffen kombinieren, deren spezifisches Gewicht bereits als leicht einzustufen ist.
Poppensieker und Thömen gliedern bei der branchenspezifischen Betrachtung des derzeitigen Holzwerkstoffplatten-Angebots die Ansätze zur Gewichtsreduktion in vier Grundtypen: „1.) Verringerung der Rohdichte über eine geringere Verdichtung des Materials, 2.) Verringerung der Rohdichte durch den Einsatz sehr leichter Holzarten oder Einjahrespflanzen, 3.) Gestaltung als hohlkernige Platte (Röhrenspanplatte) und 4.) Gestaltung als Sandwichplatte mit leichten homogenen oder inhomogenen Kernmaterialien“ [3] wie Waben-, Wellsteg-, Schaumstrukturen o. dgl.
Dabei verweist schon die Unterschiedlichkeit dieser Ansätze sowie ihr kombiniertes Auftreten (z. B. geringer verdichtete Plattenwerkstoffe aus Pflanzenschäben, oder Stabplatten, also Sandwichs, aus leichten Balsa-Holzarten) auf die Notwendigkeit einer Grenzziehung, die unabhängig vom strukturellen Aufbau des Plattenwerkstoffs einen ersten Vergleich dieser Leichtprodukte ermöglicht. Dies wird noch deutlicher, wenn man den Betrachtungsfokus auf benachbarte Anwendungsbereiche wie den Messe-, Caravan-, Schiffs- oder Flugzeugausbau ausdehnt. Denn was bei der Diätkur die Kalorien, das kann im Möbelbau nur das spezifische Gewicht des Plattenmaterials sein.
Hier hat sich mittlerweile eine Grenzziehung bei einer Rohdichte von 500 kg/m³ durchgesetzt [6]. Deutlich oberhalb dieser Grenze finden sich die gebräuchlichen Holzwerkstoffe wie OSB, Span- oder Faserplatten wider. Zahlreiche Lagenhölzer und Stab-/Stäbchenplatten sowie die klassische Röhrenspanplatte (nach dem 1949/50 entwickelten OKAL-Strangpressverfahren) können dagegen wie die Vielzahl moderner Sandwichplatten aus den unterschiedlichsten Technikbereichen als Light-Produkte bezeichnet werden. Aktuelle Recherchen zeigten sehr deutlich, mit welcher Dynamik sich das Angebot beinahe täglich erweitert. Neben leichten Rohplatten werden auch Halbzeuge samt Breit- und Schmalflächenbeschichtung und mehr oder weniger innovative Sandwichkernschichten angeboten. Wer da behaupten würde, bereits alle erdenklichen Möglichkeiten von vielleicht zukünftig interessanten Sandwichs und Composites zu kennen, der wäre sprichwörtlich auf dem Holzweg: SLP – die Stärkegebundene Leichtbauplatte von iwood aus Zug/Schweiz, LNS – Light Natural Sandwich, eine am WKI und der FAL in Braunschweig entwickelte Strohhalmplatte (Vertrieb ab 2006: Armbruster Handelsgesellschaft mbH in Kirchheim/Teck), X-Cor der amerikanischen Aztex Inc. mit in Schaumstoff eingebetteten Carbon-Nadeln, die in die äußeren Fasergewebeschichten einlaminiert werden, oder borit, die „Flachwabenplatte“ aus umgeformten Metallblechen bzw. Kunststoff-Folien in Achteckbauweise, oder Sonoboard 3D (vormals Gridcore), die Waffelplatte der Sonoco Products Company aus 100 % Altpapier, oder, oder, oder – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt! Denn Kreativität beginnt immer genau dort, wo die Routine willentlich verlassen wird. Das gilt für die leichte Küche wie für den leichten Möbelbau.
Zur nachfolgenden Übersicht „Leichtbau-Werkstoffe“
Auf den folgenden vier Seiten finden Sie eine Marktübersicht an Leichtbau-Werkstoffen. Die Auswahl der Werkstoffe verfolgt das Ziel, das derzeitige Marktangebot an Leichtbauwerkstoffen für den Möbelbau in seiner interessanten Breite darzustellen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die technischen Werte beruhen auf Angaben der Hersteller, die von den Autoren im Zeitrahmen dieser Zusammenstellung nicht weiter überprüft werden konnten. Sie können daher im konkreten Anwendungsfall nur als grobe Orientierung herangezogen werden.
Die Kontaktdaten aller genannten Hersteller finden Sie übrigens mit klickbarem Link zum Download bei www.bm-online.de. ■

Literaturverzeichnis

[1] Hassenpflug, G.: Baukastenmöbel: Ein Beitrag zum Wohnproblem für Entwerfer, Hersteller und Käufer von Möbeln. Pössneck: Rudolf A. Lang Verlag, 1949.
[2] Hrsg. DRW-Verlag: Holz-Lexikon. Bd. 2 N-Z., 3. Auflage, völlig neu bearbeitet von R. Mombächer. Leinfelden-Echterdingen: DRW-Verlag, 1993.
[3] Poppensieker, J.; Thömen, H. (UNI Hamburg): Wabenplatten für den Möbelbau (Arbeitsbericht des Instituts für Holzphysik und mechanische Technologie des Holzes, Nr. 2005/ 02, April 2005). Hamburg: Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft und Universität Hamburg/Zentrum Holzwirtschaft, 2005.
[4] Spannagel, F.: Der Möbelbau: Ein Fachbuch für Tischler, Architekten und Lehrer. Reprint nach der 10. Auflage von 1954. Edition libri rari. Hannover: Verlag Th. Schäfer, 1983.
[5] Stattmann, N.: Ultra ligth – Super strong: Neue Werkstoffe für Gestalter. Basel; Boston; Berlin: Birkhäuser Verlag, 2003.
[6] Stosch, M. (FH Lippe und Höxter): Die Beschäftigung mit dem Leichtbau gewinnt an Gewicht – Design und Konstruktion von Leichtbaumöbeln (Vortrag). Lemgo, 2005.
[7] Thole, V. (WKI): Leichte Werkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen (Vortrag). Braunschweig, 2004.
Herstellerinformation
BM-Gewinnspiel
Herstellerinformation
BM-Titelstars
Herstellerinformation
Im Fokus: Vernetzte Werkstatt

Herstellerinformation
Im Fokus: Vakuumtechnik
Herstellerinformation
BM auf Social Media
BM-Themenseite: Innentüren
Im Fokus: Raumakustik
_6006813.jpg
Schallmessung in der Praxis: Michael Fuchs (r.) und Simon Holzer bei raumakustischen Messungen in einem Objekt (Friseursalon Max in Wallersdorf). Foto: Barbara Kohl, Kleine Fotowerkstatt
Im Fokus: Gestaltung
Alles bio? Nachhaltigkeit im Tischler- und Schreinerhandwerk

BM Bestellservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der BM Bestellservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum BM Bestellservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des BM Bestellservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de