Sie wiegen oft nur wenige Gramm und müssen dennoch Masse mitbringen. Manche sind dünn und lang wie chinesische Essstäbchen, andere bauchig eingeschnürt mit verdickten Enden. Wiederum andere setzen sich aus einem haptischen Griffende und einem mit Dutzenden dünnen Holzstäbchen besetzten Spielende zusammen. Manche tragen aber auch, gleich Künstlerpinseln, einen fein gebündelten Besatz aus Borsten oder Haaren. In den unterschiedlichsten Ausführungen und Holzarten gefertigt, stellen sie ein unverzichtbares Werkzeug für Musiker in aller Welt dar, die edlen, handgefertigten Tipper des Drechslermeisters Stephan Moises aus Puchheim bei München. Seit gut 20 Jahren fertigt er die hölzernen Schlegel, die Irish-Folk-Musiker zum Spiel der für diese Musik typischen Rahmentrommel, der Bodhrán (gesprochen: Bouraan, siehe auch BM 05/22 „ Aus Haut und Holz“,
S. 138 ff.) benötigen und hat sich damit ein Alleinstellungsmerkmal in der weltweit verbreiteten Szene erarbeitet.
Einstieg in die Holzwelt
An die Herstellung von Teilen für Percussioninstrumente dachte Stephan Moises sicherlich nicht zuerst , als er 1978 in der Werkstatt von Peter Seiler in München seine Drechslerlehre begann – obwohl, etwa zeitgleich begann er auch Schlagzeug zu spielen! Nach seiner mit Auszeichnung bestandenen Gesellenprüfung, arbeitete Stephan Moises noch ein halbes Jahr als Geselle in seinem Ausbildungsbetrieb. Anschließend übernahm er bei einem Hersteller von Schlagzeugen für zweieinhalb Jahre die Fertigung der aus Massivholz hergestellten Kessel. Währenddessen besuchte er einen berufsbegleitenden Meisterkurs und legte Teil drei und vier der Meisterprüfung ab.
Nach dem Wehrdienst wechselte Stephan Moises nach Dachau zu Drechslermeister Hans Moosrainer, bekannt durch einen Film aus der BR-Serie „Der letzte seines Standes – Der Drechsler“, in dem Stephan Moises als junger Geselle sogar eine Nebenrolle hatte. Der Altmeister bot ihm an, obwohl selbst schon im Rentenalter, den Betrieb noch bis zur bestandenen Meisterprüfung weiterzuführen, um ihn dann an ihn zu übergeben.
Rein in die Selbstständigkeit
Nach bestandener Meisterprüfung übernahm Stephan Moises 1987 den Betrieb von Hans Moosrainer – mit gerade mal 24 Jahren und einem gut gefüllten Auftragsbuch. Die Allrounddrechslerei belieferte damals die Schreiner im Großraum München mit Möbelfüßen und -knöpfen, Treppenstaketen und zahllosen Sonderanfertigungen. Zwei Azubis bildete Stephan Moises in dieser Zeit erfolgreich aus – beide als 2. Bundessieger!
In den 1990er-Jahren jedoch brachen die Aufträge ein: Schreiner benötigten immer weniger Drehteile aus Holz, moderne Treppen zierten jetzt Staketen aus Edelstahl. Die Folge war, dass Stephan Moises seine beiden Mitarbeiter nicht weiterbeschäftigen konnte und die angemieteten Werkstatträume in Dachau aufgeben musste, um die laufenden Kosten zu reduzieren. Ein Platz für die nun stark reduzierte Werkstatt fand sich in der Garage des elterlichen Hauses in Puchheim – die Drechslerei ernährte den Meister gerade so.
Neues Auftragsspektrum erschlossen
Ein Glück war 2002 der Kontakt zum Schreinermeister und Bodhránbauer Christian Hedwitschak (www.bodhranmaker.eu) aus dem nahegelegenen Sulzemoos, der auf der Suche nach einem Hersteller für seine Tipper war. Als aktiver Schlagzeuger war Stephan Moises sofort begeistert von den Möglichkeiten der Bodhrán und der darauf gespielten Musik. Neben Tippern dreht er heute für Christian Hedwitschak auch Kessel aus massiven Hölzern konkav ab.
Seit 2010 vertreibt Stephan Moises seine eigene Tipper-Kollektion. Neben einteiligen Tippern aus Massivholz oder sogenannten Brush-Tippern, vergleichbar mit den Besen beim Schlagzeug, fertigt er mit seiner MoGrip-Serie Tipper in verschiedenen Ausführungen, die alle die gleiche Griffform haben, sodass sich der Spieler beim Wechsel des Tippers nicht umstellen muss.
Edle heimische und exotische Hölzer
Entscheidend für die Eignung einer Holzart zur Herstellung von Tippern ist die Dichte und damit das Gewicht. Die erste Wahl fällt dabei für Stephan Moises auf Makassar-Ebenholz und Schlangenholz – zwei der schwersten aber auch teuersten Exotenhölzer, dicht gefolgt von Olivenholz und Hickory. Alle Hölzer ergeben hervorragende einteilige Holztipper. Für die Griffe mehrteilger, zusammengesetzter Tipper verwendet Stephan Moises aber auch leichtere, heimische Holzarten wie Ahorn, Esche, Eibe, Kirsch- und Nussbaum oder Zwetschge.
Alle Tipper aus der Werkstatt werden von Hand gedrechselt und bis 600er-Körnung geschliffen, mit einem Hartölwachs behandelt und abschließend poliert. Jeder Tipper wird darüber hinaus mit dem typischen Moises-Firmenlogo mittels Laser „gebrandet“.
Weltweite Nachfrage
Heute stellt Stephan Moises im Jahr gut 2000 Tipper in etwa 80 verschiedenen Modelvarianten her und vertreibt diese über seinen Internet-Shop und ein weltweites Händlernetz, von Europa und Nordamerika bis nach Japan und Australien – die am weitesten entfernte Bestellung bisher kam aus Tasmanien. Auch wenn das Geschäft für Stephan Moises gut läuft, hat der umtriebige Handwerksmeister immer neue Ideen. Mittelfristig möchte er das Thema Nachhaltigkeit verbessern und ganz auf exotische Holzarten verzichten. So experimentiert er bereits mit hochverdichteten, farbigen Schichthölzern als Ersatz für Ebenhölzer und geflammtem und gebeiztem Hickory für Schlangenholz – die Ergebnisse sehen verblüffend echt aus und vor allem sie klingen!
Doch damit nicht genug, denn Stephan Moises ist nach wie vor aktiver Musiker und spielt als Schlagzeuger in zwei bekannten bayrischen Mundart-Bands mit gut 40 bis 50 Auftritten im Jahr und ist Teil eines Musicals zur bayrischen Rauhnacht. Dabei spielt er natürlich auch Bodhrán und das selbstverständlich mit Tippern aus eigener Fertigung!
Hier finden Sie weitere Holzsplitter.