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Altholz ist angesagt

Vollblutschreinerei Löhr fertigt klassische Haustüren in Handarbeit
Altholz ist angesagt

„Man muss das machen, was andere sich nicht trauen“, sagt Schreinermeister Markus Löhr, Inhaber der Haustürenmanufaktur Löhr in Höchstenbach/Westerwald. Ein Spruch, den man sich nicht einfach ausdenkt und dann als Motto verwendet. Für Markus Löhr steckt dahinter ein tiefer und auch dornenreicher Lernprozess – raus aus der Vergleichbarkeit mit Massenware und Montageleistungen hin zum Spezialisten für historische und trendige Holzhaustüren.

Rainer Hardtke

Seit fast 160 Jahren existiert die Schreinerei Löhr im Westerwald und der jetzige Geschäftsführer markiert die fünfte Generation. Klassisch war früher das Angebot: Fenster, Treppen, Haustüren und Innentüren u. a. für eine Fertighausfirma. Um die Jahrtausendwende hatte sich die Schreinerei in eine enge Nische manövriert. Größer und größer geworden war der Anteil des Fensterbaus und schließlich noch größer der Anteil der Montage. Hier stand Löhr im Wettbewerb mit weitaus größeren Betrieben, die den Preisdruck erhöhten. Schließlich besann sich Markus Löhr auf die Stärken und die leidenschaftliche Handwerkskunst der Schreinerei und überzeugte den Vater, Horst Löhr, einen radikalen Kurswechsel durchzuführen: weg von der Massenware und Montageleistung und zurück zum ehrlichen Schreinerhandwerk. „Möbel waren keine Alternative. Dazu hatte ich nie einen Bezug“, beschreibt Markus Löhr den Entwicklungsprozess: „Wir suchten etwas, wo wir wieder als Schreinerei glänzen, unser Handwerk lebt und wir unser ganzes Wissen und unsere Leidenschaft einbringen konnten. Und so kamen wir auf Haustüren.“

Schwerpunkt historische Türen und Altholztüren

Zu Anfang war der Vater skeptisch, ließ sich aber 2004 überzeugen, übergab den Betrieb an seinen Sohn und sieht nun die Vorteile dieser Entscheidung. Heute arbeiten zwölf Mitarbeiter in der Schreinerei: sechs Schreinermeister, ein Auszubildender, zwei Facharbeiter, eine Glaserin sowie zwei Büroangestellte.

Der Schwerpunkt der Schreinerei Löhr liegt heute auf historischen Türen und Türen aus Altholz. Schon vor Jahren hat Markus Löhr einen ersten größeren Bestand Altholz gekauft, ohne dafür direkt Aufträge zu haben. „Solche Dinge müssen wachsen“, sagt er. Erst experimentiere man etwas und dann entstünden eigene Entwürfe. Heute bietet er komplette Türen aus Altholz an, mit Blatt und Zargen und optisch aufgewertet durch schmale, vertikale Lichtausschnitte und moderne Griffe aus Edelstahl. „So entstehen Türen, die auch ein modernes Reihenhaus in schlichter Bauweise enorm aufwerten“ schwärmt Löhr.

Und die historischen Türen, woher kommen die Entwürfe? „Viel Literaturstudium, Austausch mit Fachleuten, enge Zusammenarbeit mit Denkmalschutzbehörden und Experten. Und natürlich die Liebe zum Objekt und zum Detail“, bekennt Löhr: „Es ist sogar schwierig, an geeignete Literatur zu kommen.“ Aber manchmal hilft der Zufall. Einmal hat ihm eine zufriedene Kundin ihr gesamtes Fotomaterial geschenkt. Das Steckenpferd der Hobbyfotografin waren Haustüren, die sie in ganz Europa fotografiert hat: „So schließen sich oft Kreise. Unterschiede nationaler Eigenheiten, z. B. im Jugendstil, lassen sich mithilfe echter Fotos an echten Gebäuden natürlich einfacher vergleichen oder überhaupt erst aufzeigen“, sagt Löhr, der seinerseits fleißig weiter fotografiert für sein eigenes Archiv. Die Kunden kommen zu Löhr, weil sie die Handarbeit suchen. Nach einem Betriebsrundgang widme man sich den Wünschen des Kunden. Hier rät Löhr in den meisten Fällen, die Tür im Ganzen zu ersetzen: „Es gibt eine Reihe von Kunden, die trotzdem gern die alte Tür restaurieren möchten. Viele von denen kommen aber nach sechs bis sieben Jahren zurück und lassen sie doch durch eine neue Tür ersetzen.“ Denn restaurierte Türen sind meistens den modernen Anforderungen an Wärmeschutz oder die gestiegenen Sicherheitsbedürfnissen nicht gewachsen. Man müsse die alten Türen schon sehr stark aufdoppeln, um die moderne Sicherheitstechnik unterzubringen. Oder die Dichtigkeit lasse nach, wenn die unterschiedlichen Holzstärken im Laufe der Zeit unabhängig voneinander „arbeiten“. Darum leiste er aktive Hilfestellungen, z. B. beim Kontakt mit der Denkmalschutzbehörde.

In den 70er- und 80er-Jahren wurden historische Türen achtlos rausgeworfen und durch damals moderne Alutüren ersetzt. Markus Löhr nimmt sich gerne der Herausforderung an, hier eine neue Haustüre nach historischem, ursprünglichem Vorbild zu kreieren. Schließlich müssen auch die historischen Türen oder diejenigen aus Altholz später den einschlägigen Bestimmungen oder Wünschen genügen: aktuelle Wärmeschutzverordnung, Einbruchschutz, Schallschutz, Klimaklasse, Luftdichtigkeit usw. „Bei der Altholztür kommen wir sogar bis zum Passivhausstandard“, ergänzt der Inhaber.

Wie soll sie aussehen, die neue Tür?

In den meisten Fällen gäbe es Vorlagen: Fotos des ursprünglichen Hauses, Zeichnungen oder sogar die originale Tür. Hier werde 1:1 nachgestellt, sodass später von außen kaum ein Unterschied zu erkennen sei. Die neue Tür sei auf jeden Fall immer massiv, aber meist in Dübel und Federbauweise gefertigt. Aber wenn es gewünscht sei, würde auch traditionell in Schlitz und Zapfen produziert.

Bei der Vorlage komme es auch mal vor, dass Kunden nur mit einem Foto kämen, manchmal unterbelichtet. Hier muss improvisiert werden. Löhr besucht den Kunden, macht Fotos, erkundigt sich nach dem Baujahr, schaut sich Nachbarhäuser gleichen Alters an und schöpft aus seiner Erfahrung. Dann ist Mitarbeiter Timo Brandenburger an der Reihe, der am Computer mit einer speziellen Software eine Zeichnung der rekonstruierten Tür erstellt. Die wird mit dem Kunden – und nicht selten in diesem Stadium mit der Denkmalschutzbehörde abgestimmt. Nach diesen Vorgaben wird die neue Tür gefertigt. „Sicherheitsbedürfnisse, Wärmeschutz und Verglasung spielen die gleichen Rollen, wie bei einer modernen Haustür auch“, sagt der Chef: „Diese müssen nur so integriert werden, dass sie von außen nicht erkennbar sind.
Das stellt besondere Anforderungen an die Glaserin, die zunächst die eventuell vorhandene Bleiverglasung rekonstruiert. Anschließend wird die Verglasung in ein Isolierglaselement eingebettet und in die Tür eingesetzt. So ist die Bleiverglasung zusätzlich geschützt und das Iso-Element entspricht den Wärmeschutzverordnungen. Alle Bleiverglasungen werden inhouse erstellt, nur die Iso-Elemente kommen von externen Partnerfirmen. Die Schnitzarbeiten werden überwiegend in der Schreinerei ausgeführt. Nur aufwendige Kunstschmiedearbeiten werden extern vergeben.

Fingerscanner? „Auch kein Problem“, sagt der Inhaber, „aber bei historischen Türen versuche ich dem Kunden diese Idee schon auszureden. Bei allen anderen Türen ist der Kunde völlig frei.“ Bei den Beschlägen und Bändern setzt Löhr auf die Firmen Halcö aus Österreich, Replicata oder auch Schierding aus Delmenhorst. Die Bänder kommen vorwiegend vom Simonswerk.

Altholz wird zu „Neuholz“

Das Holz bezieht die Schreinerei von Holzgroßhändlern aus der Region. Verarbeitet werden zu 90 % Eiche und nur wenige andere Hölzer, z. B. Meranti. „Eiche ist ein konstruktiver Schutz und damit ein Muss für eine Haustür. Natürlich entscheidet auch die Einbaulage. Bei historischen Türen wird ausschließlich Eiche verarbeitet. Mittlerweile hat er das zweite große Paket an Altholz gekauft: „Die Industrie hat den Trend erkannt und kauft ihrerseits Altholzbestände auf. Da müssen wir kleineren Schreinereien wachsam sein und uns unsererseits mit Vorräten eindecken“, sagt Löhr. Heute überwiegt das Altholz beim Neubau. Das Holz sei zwar gut abgelagert, würde aber noch einmal thermisch behandelt und vorbereitet. Anders als die Industrie, die oft nur dünne Vorsatzschalen des alten Holzes verwende, um die Ausbeute zu maximieren, setzt die Schreinerei auch hier auf Massivbauweise, um Alt und Neu (Beschläge, Glas, Sicherheitstechnik) miteinander zu kombinieren. „Lässt man Griff und Glas weg, sieht’s wie eine alte Tür aus“, sagt der Inhaber.

Gut Ding will Weile haben

Die Rekonstruktion einer historischen Haustür ist ein zeitlich schlecht planbarer Prozess. So könne es durchaus vom ersten Kennenlerntermin ein Jahr dauern, bis der Entwurf einer „neuen“ historischen Tür fertig sei. Die anschließende Produktion dauere dann drei bis sechs Monate, dann sei die Tür auch physisch fertig und bereit zum Einbau.

Generell habe er zum größten Teil nur Privatkunden, der Rest seien andere Schreinerbetriebe. Und grundsätzlich teile sich das Geschäft in 35 % historische Türen, 35 % Altholztüren (beide Tendenz steigend), 25 % klassische Haustüren und nur 5 % moderne Eingangstüren auf. Der Austausch ginge oft mit einem Eigentümerwechsel einher. Aber auch junge Leute kämen seit etwa zwei Jahren wieder „aufs Holz“. Die neue Wertschätzung dem natürlichen Werkstoff gegenüber sei bei den jungen Leuten sehr im Kommen. Die Kunden kämen vorwiegend aus Deutschland, Schweiz und Luxemburg. Man habe aber auch schon Türen für einen deutschen Kunden in einer spanischen Finca montiert. Interessenten aus Dubai und Russland hatte man ebenfalls schon.

Martin und Centauro helfen

Neben der überwiegenden Handarbeit werden auch ein einige Maschinen für die Massivholzbearbeitung eingesetzt, wie z. B. eine programmierbare Martin-Tischfräse. Aktuell wurde eine neue Dickenhobelmaschine T45 mit Abrichte T54 von Martin aufgestellt. Ende Mai ist eine neue Centauro Trennbandsäge mit Vorschub geliefert worden sowie eine CNC-gesteuerte Beschlagfräse fürs Fräsen von Schablonen, ebenfalls von Centauro. „Ganz ohne Maschinen geht’s nicht, auch wenn wir am liebsten alles in Handarbeit herstellen würden. Denn: Liebe geht eben nicht durch die Maschine, sondern durch die Seele“, so der Vollblutschreiner augenzwinkernd. www.westerwald-haustueren.de


Der Autor

Rainer Hardtke beschäftigt sich seit rund 30 Jahren mit den Werkstoffen Holz, Glas und Kunststoff. Dabei ist er immer wieder überrascht, wie viel Entwicklungspotenzial zu finden ist. 

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