1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite » Praxis- und Kollegentipps » Zu Gast beim Kollegen »

Anders als die Anderen

„Die Holzwürmer“ setzen auf starken Teamgeist
Anders als die Anderen

Mit Enthusiasmus und einem starken Wir-Gefühl haben sich die Holzwürmer in Dernau an der Ahr rasant in die Branche gebohrt. Nicht nur der Firmenslogan der Schreinerei Rönnefarth zeigt sich als clevere Idee: Außergewöhnliche Konzepte prägen auch die Unternehmensführung, die Nachwuchsförderung und die Technik. Manfred Maier

I „Mein Traum war einfach, Möbel zu bauen, und eigentlich wollte ich mich gar nicht selbständig machen. Aber dann wurde mir betriebsbedingt gekündigt!“ Maik Rönnefarth, damals frischgebackener Schreinermeister, hat seinen früheren Kollegen Boris Ulmann gleich mitgenommen und unter dem Titel „Die Holzwürmer“ für das Start-up begeistert.

Wenn der Gefühlsmensch Rönnefarth über die noch junge Schreinerkarriere erzählt, sprudeln ganz bildhaft viele markante Anekdoten: Gute Freunde, Abenteuer, Stolpersteine und glückliche Wendungen, witzige Geschichten aus Ämtern und Banken lassen die spannende Firmengeschichte aufleben.
Mehrfach hat er das richtige Gespür bewiesen. Den Rat auf der Meisterschule, bloß keinen Betrieb auf der grünen Wiese zu gründen, habe er geflissentlich ignoriert. Vielmehr habe ihn die Ermutigung eines erfahrenen Managers aus der Industrie inspiriert: „Kauf dir erst mal ne richtig gute Maschine!“
Yes, we can
Richtig los ging’s zu zweit, mit Existenzgründerdarlehen und gebrauchten Maschinen in einer 280 m²-Miethalle und dem Großauftrag zum Ausbau einer Disco. Nach sechs Wochen bereits musste der erste Mitarbeiter eingestellt werden. Der spontane Auftritt auf einer Endverbrauchermesse sei schließlich einer der Schlüssel gewesen: „Yes, we can. Nach der Messe waren wir da!“
Drei Jahre später platzte der Kleinbetrieb aus allen Nähten. Ein insolventes Weingut in direkter Nachbarschaft zeigte sich als glückliche Fügung. Die schwierige Umwandlung in eine Gewerbefläche und die Ersteigerung habe viele Nerven gekostet. Darüber kann Rönnefarth heute nur noch schmunzeln: „Dann waren wir plötzlich Winzer, mit 70 000 l Wein, nagelneuen Edelstahltanks und einer Weinwirtschaft!“ Das ganze Inventar konnten die Holzwürmer in der vom Weinbau geprägten Region gut verkaufen.
In der Planungsphase für das neue Domizil hat Rönnefarth noch mal mitgesteigert – aus der Insolvenz einer Schreinerei: „Ursprünglich ging es um die CNC. Am Ende war es ein größeres Paket mit mehreren, fast neuen Maschinen.“
Im inzwischen auf 2000 m² Betriebsfläche erweiterten Domizil ging es steil nach oben. Rund zwölf Jahre nach dem Start sind die Holzwürmer über die Region hinaus längst etabliert. Mit derzeit 25 Beschäftigten, davon acht Azubis, bedienen sie das gesamte Spektrum des hochwertigen Möbel- und Innenausbaus. Mit rund 70 % stellt Privatkundschaft die größte Kundengruppe.
Mit Freude gestalten
Besonders erfolgreich punkten kann das Team mit individueller Gestaltung und Planung. Daran hat Boris Ulmann, der kreative Part des Gründer-Duos, besondere Freude. Mit einer fest angestellten Innenarchitektin und gelernten Schreinerin sind die Holzwürmer in punkto Raumgestaltung bestens aufgestellt.Ulmann ist die kreative Waffe, draußen bei Kunden „Von den ersten Handskizzen bis zu 3D-Darstellungen: Eine perfekte Präsentation der Entwürfe ist selbstverständlich. Nicht umsonst liegt unsere Erfolgsquote bei nahezu 80 Prozent der Angebote.“ Softwareseitig werden Imos, Vectorworks, Sketchup und AutoCad eingesetzt.
Starkes Wir-Gefühl
Hierarchische Strukturen habe es bei den Holzwürmern nie gegeben, betont Rönnefarth: „Unsere Firmenphilosophie beinhaltet im Wesentlichen nur ein Wort: Miteinander!“
Dies ist in Dernau keine leere Formel, sondern wird intensiv gelebt. Gleich ob es um eine neue Maschine oder um organisatorische Lösungen geht – alle relevanten Entscheidungen werden in letzter Instanz gemeinsam getroffen. So z. B. bei der Investition in eine neue CNC: „Da saßen alle mit am Tisch und dann wurde es eine Fünfachs“, strahlt der Teamchef. Eigenverantwortung und gleichberechtigtes Miteinander zu fördern ist erklärtes Ziel: „Das führt dazu, dass sich jeder verantwortlich fühlt und seine ganze Kreativität sowie volles Engagement mit einbringt.“
In regelmäßigen Team-Meetings mit festem Fahrplan wird diskutiert und optimiert. Hier kann jeder seine Ideen einbringen. Vor kurzem wurden zudem jährliche Mitarbeitergespräche eingeführt. Und wer viel schafft, soll auch viel feiern! Regelmäßig sind die Holzwürmer drei bis fünf Tage auf Erlebnistour: Die Betriebsausflüge mit Eventcharakter sind eher gemeinsame Kurzurlaube. Auf Mallorca, beim Mountainbiking, beim Skilaufen in Ischgl, beim Rafting oder im Disneyland haben sie gemeinsam Spaß.
„Wollt ihr kreativ sein …
… oder Knöpfchendrücker?“ Auf diese Frage erhielt Rönnefarth ein eindeutiges Mitarbeiter-Votum: Die Holzwürmer schreinern gerne eigenverantwortlich! Im Klartext: Ist der Entwurf einmal abgesegnet, wird der Auftrag von einem der Schreinergesellen komplett gesteuert und gefertigt, und zwar vom finalen Aufmaß über die letzten Konstruktionsdetails bis hin zur Montage: „Sie sind in dieser Phase direkter Ansprechpartner für den Kunden und bringen eigene Ideen ein. Der Geist der Mitarbeiter steckt praktisch in jedem Möbel.“
Guter Nachwuchs ist Zukunft
Das große Engagement der Holzwürmer für gute Aus- und Weiterbildung passt ins Bild. Die 2011 von der Bundesagentur für Arbeit verliehene Auszeichnung „Zertifikat für Nachwuchsförderung“ würdigt den Betrieb als einen der besten Ausbildungsbetriebe Deutschlands: „Darauf sind wir sehr stolz, denn unser Nachwuchs, ist unsere Zukunft“, so Maik Rönnefarth, der alle Register zieht, um eine lehrreiche, breit angelegte Ausbildung zu sichern.
Die Ergebnisse lassen aufhorchen: Viele Auszubildende wurden übernommen. Mehr noch: Acht von zehn Auszubildenden schlossen ihre Lehre als Innungssieger ab. Inzwischen bewegen die Holzwürmer auch außerhalb des Betriebes etwas für den Nachwuchs. Maik Rönnefarth ist Lehrlingswart und Boris Ulmann ist Mitglied im Prüfungsausschuss in der Schreinerinnung Ahrweiler. Dort haben sie darüber hinaus einen einmonatigen Lehrlingsaustausch initiiert.
Motivieren, Fördern und Fordern ist generelles Konzept und sinnvoll investiert wird auch in die Weiterbildung der Mitarbeiter. Praxisbezogene inhouse-Kurse am Samstag sind dafür ein Beispiel. Und bei Homag staunte man nicht schlecht: Gleich sechs Holzwürmer reisten zur mehrtägigen Schulung am neuen Fünfachs-CNC-Bearbeitungszentrum .
Entscheidung an der Oberfläche
Die Fertigung stützt sich auf neueste Maschinentechnik. Dafür stehen u. a. die horizontale Plattensäge, eine Fünfachs-CNC und eine Kantenanleimmaschine der Homag-Gruppe. Höhenverstellbare Multifunktions-Arbeitstische und sinnvolle Arbeitsplatzgestaltung erleichtern das Schreinern im lichtdurchfluteten Bankraum.
Hochglanz, Effekte, Öle und Wachse: „Die Ansprüche an die Oberfläche von Möbeln sind enorm gestiegen und nur mit perfekten Oberflächen sind wir richtig wettbewerbsfähig“, konstatiert Rönnefarth. Unter Qualitäts- und Umweltaspekten ist er tief in die Recherche eingestiegen und mit kräftigen Investitionen in die Vollen gegangen – erweiternde Baumaßnahmen inklusive.
Mit Nestro wurde ein individuelles Konzept realisiert, das mit Spritzwand, Unterflurabsaugung und Wärmerückgewinnung effiziente Technik repräsentiert und eine vorbildliche Ablaufstruktur gewährleistet. Spritzraum, Schleifraum mit abgesaugtem Schleiftisch, Umluft-Trockenraum und auch das Lacklager sind räumlich völlig voneinander getrennt.
In personeller Hinsicht kam ein Glücksfall dazu: Schreinergeselle Andreas Görres hat sich zum Fulltime-Oberflächenspezialisten und als Leiter der Lackiererei etabliert, dem keiner so schnell was vormacht. Beim Kunden punkten die Holzwürmer mit herausragender Oberflächenqualität: „Die Reklamationsquote in Sachen Oberfläche ist gleich null“, heißt es in Dernau. Mehr noch: Heute sind die Holzwürmer auch Ausbildungsbetrieb für Maler und Lackierer.
Ein Energiesparbetrieb
„Wir kaufen unterm Strich keinen Strom ein“, erklärt Maik Rönnefarth nicht ohne Stolz. Wie das geht, dürfte so manchen Kollegen hellhörig machen: Nicht nur die 100-kW-Fotovoltaikanlage für den Eigenbedarf trägt zu dieser Bilanz bei, sondern eine ganze Palette energiesparender Maßnahmen. Sämtliche Maschinen und die Absauganlage sind auf Energiesparmodus getrimmt. Die Beleuchtung in der Fertigung und in den Büros wurde auf LED umgestellt. Sparsam ist weiter das mit speziellen Anschlüssen nahezu leckagefreie Druckluftnetz. Abwärmenutzung am Kompressor und die Wärmerückgewinnung der Lackieranlage lassen die Wärme im Betrieb. Ein Spänesilo und einen Hacker hat sich Rönnefarth komplett erspart: Stückiges Restholz wird in einem Spezialkessel bei 800 °C vergast. Die Spitzen mit ca. 10 % des Wärmebedarfs werden mit Erdgas gedeckt.
Welche Farbe hat der Holzwurm?
Kreativ unterstützt von einer Agentur aus dem Freundeskreis sind die Dernauer um pfiffige Marketingideen nie verlegen. Das galt offensichtlich von Anfang an und wer sagt denn, dass der Slogan „Die Holzwürmer“ eher negativ besetzt ist? Bei der Markenfindung ging es schließlich nur noch um die Frage „Welche Farbe hat der Holzwurm?“. Der gewitzte Untertitel hat sich als echter Glückstreffer mit toller Außenwirkung erwiesen: Die Holzwürmer sind in der Region zu einer starken Marke geworden. Der Plural im Slogan und das ganze Erscheinungsbild spiegeln zudem den intensiv gelebten „Teamspirit“ wider.
Ungewöhnlich, manchmal anti, keck und etwas provokativ, aber immer optimistisch nach vorne: Irgendwie scheint das für die gesamte Firmenentwicklung und die sympathische Ausstrahlung der Dernauer zu passen.
Firmenchef Maik Rönnefarth freut sich über das Erreichte und den Markterfolg: „Ich würde es genauso wieder machen.“ Für die Zukunft ist dem agilen Kommunikator nicht bange und die Beine kann er ohnehin nicht hochlegen: „Wir stehen nicht still, sondern bleiben in Bewegung!“ I

Der Autor

40177400

Dipl.-Ing. (FH) Manfred Maier war viele Jahre BM-Chefredakteur und arbeitet heute als freier Fachjournalist.
Herstellerinformation
BM-Gewinnspiel
Herstellerinformation
BM-Titelstars
Herstellerinformation
Im Fokus: Vernetzte Werkstatt

Herstellerinformation
Im Fokus: Vakuumtechnik
Herstellerinformation
BM auf Social Media
BM-Themenseite: Innentüren
Im Fokus: Raumakustik
_6006813.jpg
Schallmessung in der Praxis: Michael Fuchs (r.) und Simon Holzer bei raumakustischen Messungen in einem Objekt (Friseursalon Max in Wallersdorf). Foto: Barbara Kohl, Kleine Fotowerkstatt
Im Fokus: Gestaltung
Alles bio? Nachhaltigkeit im Tischler- und Schreinerhandwerk

BM Bestellservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der BM Bestellservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum BM Bestellservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des BM Bestellservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de