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Jeden Tag ein bisschen weite Welt schnuppern

Tischlerei Johannes Grimme: Ungewöhnliche Werkstatt, stimmiges Konzept
Jeden Tag ein bisschen weite Welt schnuppern

Münster, New York und wieder zurück. Sabine und Johannes Grimme: Erst in der kleinen und dann in der großen Stadt haben sie Architektur studiert und anschließend ihren Traum von Selbstständigkeit verwirklicht – in 16 ausrangierten Seefracht-Containern am Dortmund-Ems-Kanal in Münster.

Anna-Katharina Ledwa

Als ich das erste Mal bei den Grimmes bin, Ende Februar, ist es noch Winter, kalt und ungemütlich. Schnee liegt hier in Münsters Innenstadt zwar keiner, dafür findet man umso größere Pfützen. Mit dem für Münster unerlässlichen Verkehrsmittel, dem Fahrrad, kurve ich im Slalom um die Pfützen herum über einen weiten, asphaltierten Platz und sehe sie schon vor mir: Die Seefracht-Container in rostrotem Stahl stapeln sich zu einem Büro- und Werkstattgebäude auf. Ich bin am Ziel. Für meine Reportagen habe ich schon viele Tischlereien besucht, eine wie diese war noch nicht dabei.

Container: Weder schnell, noch günstig

Johannes Grimme ist ein bisschen in Eile, als ich ihn in seiner Werkstatt treffe. „Unser Zeitfenster ist knapp. Eineinhalb Stunden, dann muss ich zum nächsten Kunden“, klärt er mich gleich auf. Ist er deshalb gestresst, müde, unfreundlich? Nein, ganz im Gegenteil! Der Tischlermeister und Architekt ist ein wacher, herzlicher und einladender Mensch, der mir kräftig die Hand schüttelt und mich an den Besprechungstisch in der oberen Etage bittet.

Bei Null angefangen

Natürlich kommt das Gespräch gleich auf die ungewöhnlichen Räumlichkeiten. Musste es schnell gehen? Sollte es kostengünstig sein? Johannes Grimme, der zusammen mit seiner Frau Sabine Grimme Inhaber dieser Werkstatt ist, winkt ab: „Es ist genauso anspruchsvoll, ein Gebäude aus Containern zu errichten, wie die klassisch gemauerten vier Wände. Und günstiger – wie viele meinen – ist es auch nicht.“ Doch die zwei wollten mit ihrem jungen Unternehmen unbedingt in die Stadt, zentral und nah am Kunden sein. Sie suchten lange nach einem passenden Gebäude, bis sie zufällig über die Idee mit den Schiffsfracht-Containern stolperten. Das Grundstück direkt am Dortmund-Ems-Kanal ist gepachtet.

Die Grimmes haben klein angefangen: Sabine Grimme hatte mit 21 Jahren ein eigenes Café im Münsterland eröffnet, Johannes Grimme machte sich im Alter von 24 Jahren nach Tischlerlehre, Gesellenzeit und dem Besuch der Meisterschule Ebern mit ein paar alten Maschinen auf dem Land nah bei Münster selbstständig. „Mit unseren Einkünften haben wir unser Architekturstudium finanziert. Anfangs in Münster und zum Master nach New York, um noch ganz andere Perspektiven kennenzulernen“, erzählt Grimme. „Mein Architekturstudium war die logische Fortsetzung nach der Meisterschule: Wo das Tischlerhandwerk aufhört, knüpft das Aufgabenfeld des Architekten an.“ Den Raum als Ganzes sehen, die Möbel mit dem Raum verschmelzen lassen.

Fast bis zur Erschöpfung

Im Herbst 2014 startete dann das einzigartige Projekt: die Tischlerei am Hafen. Alles selbst geplant und dann angepackt: Öffnungen für die Fenster rausgeflext, die Containerhülle für den Innenausbau vorbereitet und dann, klar, der Innenausbau. Unterstützung kam von Studenten auf Minijob-Basis. Dafür haben sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag fast nicht ausgereicht. Damals, vor jetzt über sechs Jahren, als alles auf Anfang stand. „Das ging bis zur Erschöpfung,“ erinnert sich Grimme. Und schon im Frühjahr 2015 – so wirklich fertig war noch nichts – wurde das erste Projekt durchgezogen: die komplette Inneneinrichtung einer Gastronomie. Das war kein Zufall, denn Sabine Grimme kannte die Anforderungen in diesem Bereich ja aus der eigenen Praxis. Und den beiden liegt eines ganz besonders: Gesamtkonzepte gestalten.

Alles kann wieder demontiert werden

Heute läuft alles etwas entspannter: Mittlerweile arbeiten fünf Mitarbeiter im Unternehmen – so lastet nicht mehr alles auf den Grimmes. Die Werkstatt ist klein, aber fein: Alles harmoniert miteinander. Das gehört zum Konzept. So war es zum Beispiel auch wichtig, dass sämtliche Maschinen in demselben Farbton lackiert sind. Unten Werkstatt, oben Büros. Alles offen gestaltet und über eine Treppe verbunden. 320 m2 insgesamt. Umgesetzt ist es so, dass alles jederzeit wieder demontiert und an einem anderen Ort neu aufgebaut werden könnte. Denn: Weil das Grundstück gepachtet ist, könnte der Besitzer auch mal andere Ideen für das Areal haben.

Doch vorerst punktet das unverwechselbare Gebäude mit etwas, was eine Werkstatthalle im Gewerbegebiet meist nicht hat: die ganz besondere Atmosphäre. Zum Konzept gehört auch das Logo und eine Website mit ästhetischen, professionellen Bildern. „Mit den Texten dazu dauert es noch etwas“, lächelt Grimme, denn auch privat sind die beiden gefordert: Für die beiden Kinder soll es genug Familienzeit geben. Doch der Nachwuchs kommt auch gerne mit in die Werkstatt, wenn auch eher am Wochenende. „Der Sprinter ist das Highlight für die beiden. Da müssen sie mindestens einmal rein, wenn sie hier sind“, lacht der Papa.

Kunden kommen auf Empfehlung

Eine weitere Besonderheit der Grimme Werkstätten: Es wird viel mit Massivholz gearbeitet. Als Plattenwerkstoff kommt maximal Tischlerplatte ins Haus. „Bis heute haben wir noch für keinen Auftrag dekorative Spanplatte verarbeitet. Das versteht sich hier von selbst. Wir müssen uns den Kunden nicht erklären!“, verrät Grimme. Warum? Die Weiterempfehlung macht’s. Die Kunden kommen zu den beiden, um sie für ihr Projekt zu gewinnen. Nicht umgekehrt. Werbung für die Tischlerei? Nicht nötig! Alles läuft über Empfehlungen. Man sieht etwas, fragt sich durch und landet dann am Telefon bei Sabine oder Johannes. In dieser Sache ist der Tischlermeister absolut entspannt: „Kunden werden wir immer haben!“

Gutes Miteinander im Team ist wichtig

Auch an Auszubildenden mangelt es den Grimmes nicht: Etwa 50 Bewerbungen sind bisher für das kommende Ausbildungsjahr eingegangen. Die Lehrlingsanwärter sind oft Studienabbrecher, die sich neu orientieren wollen oder endlich den Mut haben, das zu machen, was sie selbst wollen, und nicht das, was ihre Eltern oder die Gesellschaft sich wünschen. So auch Silas, 26, ehemaliger Chemiestudent. „Ich wollte mich neu orientieren und habe hier ein Praktikum gemacht,“ erzählt der Azubi im ersten Lehrjahr. „Das Team hat gepasst, der Beruf hat gepasst und ich bekam eine Zusage. Hier anzufangen war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.“

Auf ein gutes Miteinander wird viel Wert gelegt. In der Weihnachtszeit kochen alle zusammen auch mal bis drei Uhr morgens an einem Sieben-Gänge-Menü. „Das Team ist uns super wichtig,“ betont Johannes, „gemeinsame Pausen sind für uns essenziell.“ Ein Holzbrett für die Stulle, ein Messer für den Apfel, eine Tasse für den Tee, der Blick aufs Wasser und Menschen, mit denen man sich gut versteht – mehr braucht es nicht für eine gelungene Frühstückspause.

Grimme Architektur und Möbelwerkstätten

48155 Münster

www.johannesgrimme.de


Anna-Katharina Ledwa ist Tischlerin und Projektgestalterin (HWK), arbeitet als Gesellin in der AV und entwickelt nebenberuflich eigene Produkte.

Das ist mir aufgefallen

Der Mix macht es

Achitektur und Handwerk. Arbeit und Familie. Bei den Grimmes macht der Mix das Besondere. Sabine und Johannes sind Architekten und Tischler mit Leidenschaft. In jeden Auftrag stecken die beiden 100 Prozent ihrer Energie. Wenn es sein muss auch abends und am Wochenende. Sogar im Urlaub werden Inspirationen aufgesaugt. Trotzdem kommen die Kinder der beiden nicht zu kurz, denn: Familie und Arbeit sind gleich wichtig!

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