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Schreinern in Venedig

Arbeiten im Ausland
Schreinern in Venedig

Schreinern in Venedig
Arbeiten, wo andere Urlaub machen: Johannes Staffler (21) während eines Einsatzes auf einer Baustelle direkt am berühmten Canal Grande. Fotos: Johannes Staffler
Historische Palazzi, das geschäftige Treiben der Wassertaxis und Gondeln im Sonnenuntergang – dort, wo andere Urlaub machen und „La dolce vita“ genießen, als Holzhandwerker zu arbeiten? Johannes Staffler hat nach seiner Lehre beides verbunden und eineinhalb Jahre als Schreiner in der Lagunenstadt Venedig gelebt und gearbeitet.

BM-Redakteur Heinz Fink

Raus und mal was Neues zu sehen war der Plan von Johannes Staffler nach Ende seiner Ausbildung bei der Schreinerei Steiger und Lankes im bayrischen Hohenschäftlarn bei München. Nach Dänemark sollte es gemeinsam mit einem Freund gehen. Doch der Plan scheiterte kurz nach der dänischen Grenze wegen eines Motorschadens am Auto. Also kurzerhand umgeplant, nach Kroatien gereist und von dort mit der Fähre nach Venedig. Immer der Nase nach, dem bekannten Klang einer Bandsäge folgend, führte ihn sein Weg dort direkt in die nächste Schreinerei. Auf Englisch, ein wenig Italienisch und mit „Händen und Füßen“ nach dem Chef gefragt, doch der war nicht da, aber den Virus hatte er sich bereits eingefangen: Johannes Staffler wollte unbedingt als Schreiner in Venedig arbeiten.

Vom Venedig-Virus befallen

So kehrte Johannes Staffler nach einigen Wochen, die Adressen einiger im Internet gegoogelter Betriebe in der Tasche, noch mal für vier Tage nach Venedig zurück und suchte gezielt nach Arbeit als Schreiner. Fündig wurde er in der „Falegnameria Augusto Capovilla“ im Stadtteil Santa Croce im Zentrum Venedigs. Inhaber Carlo Capovilla, Architekt und Urenkel des Firmengründers, führt den auf die Restaurierung von Fenstern und Türen spezialisierten Betrieb in der vierten Generation. Man wurde sich schnell einig und so begann Johannes Staffler Anfang Januar 2022 seine Arbeit als „falegname“, als Schreiner, in Venedig.

Die Falegnameria Augusto Capovilla zählte mit ehemals 40 Mitarbeitern zu den größten Schreinereien im historischen Zentrum von Venedig. Heute beschäftigt der Betrieb unter Carlo Capovilla sechs Mitarbeiter in der Werkstatt und drei im Büro. Neben Restaurierungsarbeiten werden auch Neuanfertigungen von Fenstern und Türen und in seltenen Fällen auch von Möbel- und Innenausbauten angeboten. Deren Fertigung übergibt man allerdings an spezialisierte Betriebe auf dem Festland, denn innerhalb Venedigs ist das Betreiben explosionsgefährdeter Einrichtungen, wie der eines Spritzraumes, nicht erlaubt. Die Planung dafür – von der ersten Handskizze bis zur händischen Konstruktionszeichnung – übernimmt Carlo Capovilla selbst.

Überwindung von Sprachbarrieren

Vor seiner Abreise nach Venedig belegte Johannes Staffler in Deutschland noch einen zweimonatigen, berufsbegleitenden Sprachkurs – das Gros seiner Italienischkenntnisse erwarb er jedoch während der Arbeit und im Umgang mit seinen Kollegen. Das erste halbe Jahr seines Aufenthaltes wurde durch ein Erasmus+-Stipendium finanziert, im folgenden Jahr war er im Betrieb als fester Mitarbeiter in Ausbildung angestellt. So konnte er sich auch eine kleine Wohnung in Venedigs Stadtteil San Polo, nur fünf Minuten von der Rialto-Brücke und zehn Laufminuten von der Werkstatt entfernt, leisten. Bei einer Arbeitszeit von 8 bis 16:30 Uhr von Montag bis Freitag – in Ausnahmen auch samstags – blieb genügend Zeit für Kultur und Freizeitaktivitäten.

Andere Länder, andere Handwerkskultur

Gleich an seinem ersten Arbeitstag durfte Johannes Staffler bei einem Montageeinsatz mit einem italienischen Kollegen die unterschiedlichen Arbeitsweisen kennenlernen. Es galt, auf einer Baustelle in der Altstadt noch Tür- und Fenstergriffe zu montieren. Dazu wurde der Karton mit den Beschlägen auf eine Sackkarre gespannt, eine kleine Tasche mit den notwendigsten Werkzeugen dazugepackt und schon ging es los zu Fuß über holpriges Steinpflaster und zahlreiche Brücken bis zur Baustelle. Dort angekommen, fehlte aber ein Kreuzschlitzschraubendreher – kein Problem für den italienischen Kollegen, der zurück in die Werkstatt eilte – die Wege seien kurz in Venedig! Größere Baustellen innerhalb des historischen Zentrums (Centro Storico), auf den umliegenden Inseln, aber auch auf dem Venedig vorgelagerten Lido wurden mit dem Boot erledigt. Da die Schreinerei kein eigenes Lieferschiff besitzt, wurde von Fall zu Fall eines angemietet – auch zur Anlieferung größerer Mengen von Platten oder Massivholz.

Baustelle mit Ausblick aufs Meer

Einer der größten Aufträge, an dem Johannes Staffler während seines Aufenthaltes mitarbeitete, war die Restaurierung der historischen Fenster im Castello di Miramare bei Triest. Die ehemalige Residenz der Habsburger mit herrlichem Blick auf die Adria, die heute ein staatliches Museum beherbergt, war für gut fünf Wochen sein Einsatzort. Dort galt es annähernd 100 Fenster instand zu setzen. Die Fensterflügel wurden auf dem Landweg nach Venedig gebracht, per Boot in die Werkstatt transportiert, aufgearbeitet und anschließend wieder zur Baustelle gebracht – die Rahmen dagegen wurden vor Ort in eingebautem Zustand restauriert.

Neugierig bleiben

Nach seinem eineinhalbjährigen Einsatz als Schreiner in Venedig arbeitet Johannes Staffler seit diesem Sommer wieder in seinem Lehrbetrieb. Auf die Frage, ob er das Ganze noch mal machen würde, gibt es für ihn nur eine einzige Antwort: „Jederzeit!“ Seine erworbenen Kontakte gibt er gerne weiter, denn auch in Italien herrscht ein Mangel an Fachkräften im Handwerk. So hat sich durch seine Vermittlung im Oktober bereits eine junge Schreinergesellin aus München auf den Weg nach Venedig gemacht, um dort zu arbeiten. Johannes Staffler dagegen hat in Venedig internationale Schreinerluft gewittert und plant ab Januar eine längere Weltreise mit Stationen in Holzwerkstätten auf Kuba und in Indien. Und dabei wird es sicherlich nicht bleiben, denn er ist der festen Überzeugung, dass er als Schreiner überall auf der Welt Arbeit finden wird!

www.steiger-lankes.de

www.erasmusplus.de

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