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Mut zu Wandel und Handel

Thomas Merz: „Der Tischler muss es nur tun!“
Mut zu Wandel und Handel

Die Tischlerei Merz in Elsdorf bei Köln wird inzwischen in vierter Generation geführt. Dies ist ihre Geschichte – die Geschichte einer gelungenen Betriebsübnahme und die eines Mannes, der sich fragt, wohin unser Gewerk sich entwickelt.

Autor: Natalie Ruppricht, BM-Redaktion
„Fällt Ihnen etwas auf?“, will Thomas Merz wissen, als wir den Besprechungsraum seiner Tischlerei betreten. Ich sehe mich nach einer seltenen Holzart oder einer besonders guten Gestaltungsidee um. „Es gibt nur drei Stühle“, löst er seine Frage schließlich auf. Wir sind zu fünft. „Das macht keinen guten Eindruck, oder?“ Thomas Merz analysiert, reflektiert, hinterfragt – und ist sehr kritisch mit sich.

Tischler früher und heute
Konstruktive Kritik am BM übte Merz (32) im Oktober 2013, als wir auf dem Cover titelten „Wer rechnen kann, kauft zu“. Er hatte ge- hofft, dass ausführlicher über den Wandel im Tischlerhandwerk berichtet würde. Also haben wir ihn in Elsdorf-Esch besucht, um dieses Thema zu diskutieren. Denn Anfang 2011 hat Merz gemeinsam mit seiner Frau Anja den Betrieb seines Vaters übernommen, gegründet im Jahr 1920 vom Urgroßvater. In neun Jahrzehnten tut sich einiges. Wurde früher zum Beispiel mindestens einmal in der Woche furniert, kommt das heute nur noch zwei- bis dreimal pro Jahr vor.
Und Thomas Merz kauft Vieles zu: einzelne Korpusse und ganze Schränke, Schubkästen und Hochglanzfronten, Fenster und Türen, Treppen und Küchen. Eigenfertigung: meist zu teuer. Lediglich Einzelmöbel stellt er mit seinen beiden Gesellen und einem Auszu- bildenden selbst her.
Einen Großteil vom Umsatz (ca. 75 %) macht Merz inzwischen durch Zukauf und Handel. Dadurch konnte er seit der Übernahme jährlich Zuwächse verzeichnen. 2013 erzielte der Betrieb 25 % mehr Gewinn als 2012 – und das, obwohl es durchaus immer wieder Probleme mit den Lieferanten gibt: Falsch- lieferungen, Terminverschiebungen, schlechte Materialbeschaffenheit.
Oft sei die Qualität der eingekauften Produkte aber sogar besser als die von selbst hergestellten, speziell im Kunststoff- und Kantenbereich – Stichwort Nullfuge. Tischler müssen sich nach Meinung von Merz von dem Irrglauben lösen, dass der Kunde erwartet, wir machen immer alles selbst: „Zukauf ist in Ordnung. Was zählt, ist das Endergebnis.“
Verhätscheln wir unsere Azubis?
Anstatt in der Werkstatt zu stehen, verbringt Merz seine Zeit also u. a. mit gewinnbringender Montage – und weiß, dass dadurch die Ausbildung auf der Strecke bleibt. Diese sieht er aber als soziale Verantwortung an, als eine Verpflichtung an die Gesellschaft. Deshalb hat er seinen Lehrling Fabian dazu motiviert, sich ein Kleinmöbel zu bauen, als Übung fürs Gesellenstück. Zeichnung und Stückliste sind fertig, jetzt fehlt nur noch die Umsetzung. „Bei diesem Projekt habe ich gelernt, dass junge Leute Teilziele und genaue Vorgaben brauchen “, resümiert Merz.
Den Hof der Tischlerei kehrt Fabian nicht. Das übernimmt ein Schüler aus der Nachbarschaft und bessert so sein Taschengeld auf. „Leider verhätscheln wir damit unseren Azubi“, be- merkt Merz. Aber der Nachbar hatte sich angeboten – und er ist günstiger. Ein Lehrling sei eben keine „billige Arbeitskraft“, sondern könne manchmal eine finanzielle Belastung darstellen. „Es sollte viel mehr Unterstützung vom Staat geben, speziell für kleine Betriebe“, findet Rudolf Merz (59), Thomas’ Vater, der bei Engpässen noch als helfende Hand zur Verfügung steht.
Dass er den Familienbetrieb, in dem er die eigene Lehre absolvierte, einmal übernehmen und sogar selbst ausbilden würde, war für Thomas Merz nicht immer klar. Sein Vater hatte ihn nie dazu verpflichtet. Selbst die Meisterausbildung war für ihn immer ein rotes Tuch gewesen: Er hatte großen Respekt vor der Verantwortung. Bis er mit 22 Jahren auf Empfehlung eines Mitarbeiters vom Fachverband doch nach Garmisch-Partenkirchen ging. Drei Semester später machte er sich, den Meisterbrief in der Tasche, auf Stellensuche im Großraum Köln. Aber die Auftragslage war schlecht. Er stieg wieder beim Vater ein – und entschied sich schließlich doch, die Tischlerei zu übernehmen.
Hürden bei der Übergabe
Der Senior Rudolf Merz hatte konkrete Vorstellungen für die Betriebsübergabe. Er wollte es anders machen als sein Vater, besser! Die finanzielle Belastung für das junge Paar, vor allem die Steuerlast, sollte möglichst gering sein. Das würde ihnen Freiräume verschaffen. Gleichzeitig war ihm wichtig, dass seine Altersversorgung gesichert ist und die Eigentumsverhältnisse geklärt sind. Er selbst hatte seinen Vater im Alter mitfinanziert, was „kein Zuckerschlecken war“.
Obwohl nach aktuellen Schätzungen des In- stituts für Mittelstandsforschung Bonn (ifm) jedes Jahr rund 27 000 Familienunternehmen zur Übergabe anstehen, war es nicht leicht, die Vision umzusetzen. Eine Beratung durch die Handwerkskammer sollte für Klarheit sorgen, stellte sich aber als oberflächlich heraus, so das Urteil von Thomas Merz. „Ich war enttäuscht.“ Der Berater habe versucht, die Jungunternehmer in eine GmbH zu drängen, mit Rudolf Merz als Teilhaber. Sie wollten aber das Einzelunternehmen erhalten. Also haben sie zwei Steuerberater aufgesucht. Was laut Handwerkskammer „ gar nicht möglich“ sein sollte, war allerdings auch für die Experten eine Herausforderung.
Schließlich haben sie aber eine Lösung gefunden: Der Wert des Unternehmens bildet die Basis für einen Kauf über 25 Jahre – abzüglich eines „Familienrabattes“ und ohne Verzinsung. Den Zeitraum hat der Senior seinem Sohn freigestellt. Die monatlichen Zahlungen an Rudolf Merz stellen für die Nachfolger steuerlich eine sogenannte „dauernde Last“ oder auch Leibrente dar. „Wir waren froh, als zwei Monate vor der Übernahme endlich alle Formalitäten geklärt waren“, berichtet Anja Merz (31), gelernte Steuerfachangestellte.
Marketing statt Schnaps
Rudolf Merz nimmt sich im Gespräch zurück. So hält er es auch im Betriebsalltag. Ihm ge- fällt, wie sein Sohn und dessen Frau den Betrieb führen. Auf die Frage, wie sich das Tischlerhandwerk verändert hat, meldet er sich zu Wort: „Mein Vater hat Aufträge noch bei einem Glas Schnaps abgeschlossen. Heute ist der Markt viel aggressiver.“ Thomas Merz ergänzt, dass der Verkauf immer wichtiger werde. „Alles hängt vom Verkaufen und von den erzielten Preisen ab. Mehr Aufträge, mehr Umsatz, mehr Gewinn.“ Er setzt daher auf Beratung und Marketing. „Die meisten Tischler sind viel zu bescheiden“, findet er. Gute Leistungen zu kommunizieren sei keine Selbstbeweihräucherung.
Viel geschafft – noch Vieles vor
Betriebsausstattung und Image der Tischlerei seien bei der Übergabe bereits top gewesen. In Sachen Marketing „war es fünf vor zwölf“. Also investiert Merz in Werbung. Das große Plakat an der Hauswand rief diese Reaktion hervor: „Ich wusste ja gar nicht, dass da eine Tischlerei ist.“ Auch Webseite und Corporate Design wurden überarbeitet.
Nicht erstaunlich, dass der Betrieb außerdem Partner der Franchiseorganisation TopaTeam ist, die für die Kombination von Handwerk und Handel wirbt. Dreimal im Jahr verschickt das Ehepaar Merz deren Kunden-Zeitschrift „Wohnsinn“. Damit bleiben sie langfristig in Erinnerung.
Die Tischlerei präsentiert sich zudem auf dem Empfehlungsportal „Kennst Du einen?“. Türen und Fenster laufen wie von selbst – sie waren Rudolf Merz’ Kerngeschäft. Für Spanndecken werben die Nachfolger alle vierzehn Tage im Wochenblatt. Bald wollen sie auch Betten ins Portfolio aufnehmen – wie Spanndecken nahezu reine Handelsprodukte mit geringem Planungs- und Bestellaufwand. Sie stellen für Thomas Merz einen Aufhänger dar, mit dem er „die Leute kriegt“. Er nimmt seine Kunden gerne mal mit zum Händler, wenn er Holz einkauft oder zeigt ihnen seine Werkstatt und wie ihr Möbel entsteht. Außerdem plant er, mit zwei Events pro Jahr die Bekanntheit der Tischlerei weiter zu steigern.
Für die Zukunft wünscht Thomas Merz sich, dass bei gleichbleibendem Gewinn weniger Stunden auf dem Zettel stehen. „Ich will es mir leisten können, auch mal unproduktiv zu sein.“ Die junge Familie, die gerade ihr zweites Kind bekommen hat, plant außerdem einen Neubau auf dem Betriebsgelände. Die Dachwohnung im Elternhaus wird langsam zu eng. Das neue Gebäude soll zudem Platz für eine großzügige Ausstellung bieten. Dort gibt es dann wahrscheinlich auch mehr als drei Stühle für zukünftige Besucher.
Tischlerei Thomas Merz
50189 Elsdorf-Esch

Das ist uns aufgefallen „So sichern wir die Liquidität“
Bei Merz entscheidet der Kunde über die Höhe seiner Anzahlung. Davon werden ihm nach Fertigstellung 4 % auf den Rechnungsbetrag gutgeschrieben. „An-zahlungen von 30 bis 50 % sind bei uns keine Seltenheit. Dadurch können wir den Skonto der Lieferanten nutzen“, begründet Anja Merz. Sie weiß: „Oft feilschen Kunden erst, wenn ihnen die Rechnung vorliegt. Dem wollen wir vorbeugen.“
Ist die Rechnung erst geschrieben, seien kleine Beträge meist schwieriger einzu-treiben als große. Dann lohne es sich nicht, eine Mahnung zu schreiben. Thomas Merz empfiehlt Kulanz: „Nach etwa drei Wochen rufe ich meine Kunden an und frage höflich nach, wo das Geld bleibt und ob er vielleicht nicht zufrieden ist. Wenn wir dann nachbessern, können wir zumindest im Nachhinein begeistern. In 80 % der Fälle ist das Geld nach wenigen Tagen da. Und wenn der Kunde glücklich ist, redet er gut über uns.“
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