Kleine Orte reihen sich aneinander, als ich unterwegs zur Hinterland GmbH bin. Keine Großstadt, keine Industriegebiete. Zwischen Bonn und Koblenz, mitten in der Eifel, in dem kleinen Ort Oberzissen liegt das Unternehmen, dessen Name nichts über sein Spezialgebiet verrät. „Es sollte ein Name sein, der im Gedächtnis bleibt. Aber auch ein Name, der unseren Tischlerkollegen keine Konkurrenz macht,“ erzählt Andreas Strebel. Ich kann nur sagen: Der Name ist bei mir sofort hängen geblieben und ich habe nicht ansatzweise an eine Tischlerwerkstatt gedacht, als ich ihn zum ersten Mal hörte. Zudem passt er perfekt zum schönen Hinterland, in dem dieses junge und moderne Unternehmen liegt.
Kunden von Berlin bis München
Doch um wen geht es? Um einen Zulieferer für das Tischlerhandwerk. Einen Zulieferer, der auf dem Gebiet des Umformens mineralischer Werkstoffe kaum eine Grenze kennt und seien es noch so organische Formen oder abstrakte Geometrien. Andreas Strebel, Tischlermeister und Geschäftsführer der Hinterland GmbH, ist überzeugt: „Wir finden für jedes Problem eine umsetzbare Lösung.“
Schon sein Vater hatte eine Tischlerei, doch die war – wie die meisten – im Privatkundengeschäft tätig. Sein Bruder Waldemar Strebel war es dann, der mit der Idee zu einem spezialisierten Unternehmen um die Ecke kam. Ursprünglich in der IT-Branche tätig, lag es für ihn nahe, auf CNC-gesteuerte Technik zu setzen. Mit Unterstützung der Handwerkskammer Koblenz war die Namensfindung und Gründung der GmbH dann kein großer Akt mehr. Die Tischlerei des Vaters wurde geschlossen, die Hinterland GmbH war geboren. 2016 gestartet, hat sich das junge Unternehmen heute bereits einen Namen gemacht.
Im ersten Betriebsjahr stand die Kundenakquise im Vordergrund, wurden doch nun keine Privatkunden, sondern vielmehr Firmenkunden gesucht. Aus diesem Grunde wurde also ein Tischlermeister eingestellt, der sich ausschließlich um den Aufbau der Kundenkontakte kümmerte. Schnell hat sich die Akquise auf ganz Deutschland ausgeweitet und die Resonanz war durchweg positiv. „Man hat gemerkt, dass Spezialisten wie wir gebraucht wurden,“ erzählt Strebel. „Heute haben wir Kunden von Berlin bis München.“ Und das vom kleinen Einzelunternehmen bis hin zu sehr großen Industrieunternehmen mit 500 Mitarbeitern und mehr. Auch in der Küchenindustrie hat Hinterland eine Nische gefunden als Zulieferer von Mineralwerkstoff-Formteilen.
Spezielle Produkte brauchen spezielle Maschinen
Wenn man durch die Fertigung läuft, fühlt es sich im ersten Moment noch an als wäre man in einer ganz normalen Tischlerei. Der Unterschied wird dann allerdings schnell an den Maschinen sichtbar: 3-Achs-, 4-Achs- und 5-Achs-CNC-Bearbeitungszentren schmücken die Halle. Ein Roboter ist in Planung. Und daneben noch ein selbst gebauter Heiztisch aus den Heizplatten einer alten Furnierpresse. Damit können Mineralwerkstoffplatten bis zu fünf Meter Länge erhitzt werden. „Sowas findet man unter den Standardmaschinen nicht. Da ist Kreativität gefragt,“ erklärt Strebel. „Unser Spezialgebiet ist die Umformung von Mineralwerkstoffen,“ erklärt der Geschäftsführer. Holzwerkstoffe spielen auch eine Rolle, allerdings mit überschaubaren 20 % des Auftragsvolumens.
Kundenbetreuung steht hoch im Kurs
Das besondere an der Hinterland GmbH: Obwohl es sich hier um einen Industriebetrieb handelt, ist die Atmosphäre und die Kundenbetreuung so persönlich und unmittelbar direkt wie in einer kleinen Tischlerei. „Die Kundenbetreuung steht bei uns an erster Stelle,“ betont Andreas Strebel. „Das Unternehmen soll überschaubar bleiben, damit die Projektbegleitung von Anfang bis Ende aus einer Hand kommen kann.“ Denn: „Genau da unterscheiden wir uns von unseren Konkurrenten. Die Entwicklung ist ein großer Teil unserer Arbeit, denn meist liegen bei Auftragserteilung noch nicht alle Lösungen klar auf der Hand,“ erklärt Strebel.
Und natürlich bringt das Formen von Teilen jeden Tag neue Herausforderungen mit sich. Außerdem sind die Anforderungen bei jedem Projekt anders: mal geht es um Brandschutz, mal um Statik, dann um Gewicht oder auch Größe. „Langweilig wird uns nie,“ schmunzelt sein Bruder Waldemar Strebel. Auch er ist Tischler und als technischer Leiter der Hinterland GmbH für die Arbeitsvorbereitung zuständig.
Neun Mitarbeiter arbeiten im Unternehmen, inklusive Geschäftsführung, sechs davon in der Produktion. Alles Tischler, Tischlermeister, Techniker. Auch hier scheint es eigentlich keinen Unterschied zu einer normalen Tischlerei zu geben. Doch: „Unsere Leute fangen meistens bei Null an. In diese Aufgabe muss man hineinwachsen und man muss ihr auch gewachsen sein,“ verdeutlicht Strebel. Regelmäßige Lehrgänge zu Verarbeitungsweisen von Mineralwerkstoffen sind dabei eine notwendige Unterstützung. Nicht jeder sei für diese Nische gemacht, daher macht sich bei der Suche nach neuen Mitarbeitern auch hier der Fachkräftemangel bemerkbar. Denn man würde personell gerne noch etwas aufstocken, auch wenn der Kunde im Allgemeinen nicht lange auf seine Formteile warten muss – zwei bis vier Wochen Vorlauf sind Standard für überschaubare Aufträge. Doch manchmal machen die Kapazitäten einen Strich durch die Auftragsplanung. Hier ist Flexibilität gefragt. Und wenn es schneller gehen muss, wird für gute Kunden auch mal ein Auftrag kurzfristig dazwischengeschoben. „Service ist Trumpf.“
Möglichkeiten des technischen Fortschritts nutzen
Zum Service gehört auch die eigenverantwortliche Lieferung. „Wir begleiten unsere Produkte bis zur Haustür des Kunden. Wenn es möglich ist, kontrollieren wir die Ware bei der Übergabe selbst,“ betont der Geschäftsführer. Die Montage liegt dann in der Verantwortung des Kunden, aber auch hier wird Unterstützung angeboten: „Gerne stellen wir einen Mitarbeiter für die Montagebetreuung zur Verfügung.“ In Sachen Oberflächentechnik ist klar: „Fürs Lackieren sind andere Spezialisten zuständig.“ Die Produkte werden natürlich nach Wunsch geschliffen und für die Oberfläche vorbereitet. Denn auch das Schleifen ist eine Herausforderung für sich. Doch auf diesem Gebiet sind die Hinterländler auch verlässliche Profis. Zur Zeit wird ein eigens entwickeltes Schleifmittel zur Marktreife gebracht. „Wir setzen es schon erfolgreich ein“, erzählt der Tischlermeister stolz.
Und das ist es, was das junge Unternehmen will: Das Tischlerhandwerk weiterentwickeln. Die Möglichkeiten des technischen Fortschritts nutzen. Den Kollegen im Tischlerhandwerk ein wertvoller Partner sein.
Hinterland GmbH
56651 Oberzissen
Die Autorin
Anna-Katharina Ledwa ist Tischlerin und Projektgestalterin (HWK), arbeitet als Gesellin in der AV und entwickelt nebenberuflich eigene Produkte.