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Online durch die (Corona-) Bildungskrise

Erfahrungsbericht der Meisterschule Ebern zum E-Learning
Online durch die (Corona-) Bildungskrise

Aufgrund der Corona-Pandemie war auch die Meisterschule Ebern – wie viele Bildungseinrichtungen in Deutschland – seit Mitte März geschlossen. Lesen Sie hier, wie die Verantwortlichen dort mit den besonderen Herausforderungen des online-basierten Lernens als Ersatz für den Präsenzunterricht umgegangen sind.

Dr. Oliver Dünisch

Das Schulkonzept der Meisterschule Ebern für das Schreinerhandwerk basiert auf der Idee, eine Meisterfortbildung für Schreinerinnen und Schreiner anzubieten, die ein „Leben und Lernen unter einem Dach“ mit fließenden Übergängen zwischen Lernzeit im Unterricht und Lernzeit außerhalb des Unterrichts ermöglicht. Um dies zu realisieren, wurden Wohn- und Schulräumlichkeiten unter einem Dach geschaffen und das Konzept der „offenen Schule“ entwickelt, das den Meisterschülerinnen und -schülern eine zeitlich unbegrenzte Nutzung der Schulinfrastruktur ermöglicht. Das Lernen war deshalb 35 Jahre lang ganz bewusst sehr stark auf persönliche Präsenz der Lernenden und Lehrenden und die damit verbundene soziale Interaktion ausgerichtet, die lediglich durch die Bereitstellung von digitalen Unterrichtsmaterialien auf dem Schülerserver virtuell ergänzt wurde. Diese Realität fand mit den am 13. März 2020 ausgesprochenen flächendeckenden Schulschließungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ein jähes Ende. Da es nie Ziel der Fachschule war, eine „Meisterausbildung im Fernstudium“ durchzuführen, war die Meisterschule Ebern konzeptionell nicht wirklich auf eine Ad-hoc-Umstellung vom Präsenzunterricht auf E-Learning vorbereitet. Aber dennoch mussten Lösungen her …

Am Anfang stand die Bestandsaufnahme

Fachliche Kenntnisse, Motivation und Wertvorstellungen sind zentrale Bestandteile eines ganzheitlichen Lernens und werden im Bildungsbereich gern verkürzt auf die Formel „Wissen – Können – Wollen“ gebracht. Unter „Wissen“ versteht man die Fähigkeit, in bestimmten Situationen Gelerntes und Erfahrenes anzuwenden, beim „Können“ geht es um die Fähigkeit, erworbenes Wissen in unterschiedlichen Situationen anzuwenden, während beim „Wollen“ auch die Motivation besteht, eine Aufgabenstellung zu lösen bzw. Herausforderungen anzunehmen. Idealerweise fördert der Unterricht alle drei Bereiche, sodass in einem ersten Schritt abzuklären war, in welchen Themenbereichen dies ohne Einschränkungen über die Distanz durch E-Learning-Angebote möglich ist und in welchen Bereichen dies nur eingeschränkt oder auch gar nicht möglich sein wird. Es wurde schnell deutlich, dass in eher fachtheoretisch ausgerichteten Unterrichtsbereichen das Konzept des Wissens, Könnens und Wollens auch im Bereich online-basierter Unterrichtsangebote leichter durchzuhalten ist als im fachpraktischen Unterricht – insbesondere im fachpraktischen Werkstattunterricht, der immerhin ca. 30 % der Gesamtunterrichtszeit ausmacht. Das „Können“ ist hier eben an die Verfügbarkeit einer entsprechenden Werkstattinfrastruktur, die nur wenigen Meisterschülerinnen und -schülern privat zur Verfügung steht sowie an das praktische Üben geknüpft. In den fachpraktischen Unterrichtsbereichen mussten sich die E-Learning-Angebote deshalb auf die Aspekte des „Wissens“ durch die Vermittlung der notwendigen Fachtheorie und das „Wollen“ zur Aufrechterhaltung der Motivation konzentrieren.

Umsetzung des E-Learnings in der Praxis

So unvorbereitet die Schulen auf den plötzlichen Termin ihrer Schließung waren, so unvorbereitet waren wir auch in weiten Teilen, was den Kenntnisstand hinsichtlich der didaktischen Anpassung bestehender Unterrichtsinhalte und -materialien an virtuelle Formate anging. Letztendlich ließen wir uns von folgenden Fragen leiten: Welche Ressourcen stehen uns fürs E-Learning zur Verfügung? Wie stellen wir eine Verbindlichkeit für das „Lernen zu Hause“ her? In welcher Form werden die Unterrichtsinhalte für das online-basierte Lernen aufbereitet?

Positiv war, dass durch erhebliche Investitionen in die digitale Infrastruktur der Schule alle Materialien – bis hin zu Tafelbildern – praktisch vollständig in digitaler Form vorlagen und auf dem Schülerserver abgelegt waren. Bewusst hatten wir uns aus Datenschutzgründen bei der Einrichtung des Schülerservers lediglich auf eine Zugriffsmöglichkeit über das Schulnetzwerk festgelegt. Für das nun geforderte E-Learning wäre eine Cloud-basierte Lösung mit ortsunabhängiger Zugriffsmöglichkeit sicherlich toll gewesen.

Als schulrechtlich abgesicherte Kommunikationsmöglichkeit, steht allen bayrischen Schulen MEBIS als Plattform zur Verfügung und wäre wohl theoretisch das Mittel der Wahl gewesen. Da MEBIS allerdings nur als ergänzend eingesetzte Plattform konzipiert ist und auch Grenzen z. B. bei der Anlage von Gruppenchats hat, war das System hoffnungslos überlastet. E-Learning auf dieser Basis wäre wohl mit großer Frustration verbunden gewesen … Unmittelbar verfügbar und schulrechtlich abgesichert blieb uns dann der E-Mail-Verteiler, der als etwas antiquierte Form aber den Einstieg in das E-Learning ermöglichte. Außerhalb des schulrechtlich abgesicherten Bereichs haben Kolleginnen und Kollegen insbesondere für Videochats auch mit weiteren Plattformen wie GotoMeeting oder Teamviewer gearbeitet, wodurch zumindest für zukünftige Entscheidungen wichtige Erfahrungen gesammelt werden konnten – wenn auch in einer rechtlichen Grauzone.

Für die Verbindlichkeit des E-Learnings ist eine Zeitplanung mit konkreten Zeitvorgaben für die Bearbeitung, für den direkten Austausch zwischen Lehrenden und Lernenden sowie für die Rückmeldung unerlässlich. Zugunsten der Flexibilisierung und der Förderung der Eigenverantwortung im Bereich der Erwachsenenbildung haben sich Terminvorgaben, die nicht zwangsläufig an den Zeitrahmen des ehemaligen Stundenplans angeglichen sind, bewährt.

Die Aufbereitung der Unterrichtsinhalte für das online-basierte Lernen zu Hause wurde bewusst individuell in die Hände jeder einzelnen Kollegin/jedes einzelnen Kollegen gelegt. Hierdurch entstanden unterschiedlichste Formate wie Skripte, Videos, Arbeitsaufträge, Chats, Literaturquellen, Rätsel und vieles mehr, die das E-Learning vielfältiger machen und damit den dritten Baustein des ganzheitlichen Lernens, das „Wollen“, fördern. Denn auch beim E-Learning gilt, wie für den Präsenzunterricht, in Anlehnung an die lateinische Phrase „Variatio delectat“ – Mannigfaltigkeit und Abwechslung erfreuen die Lernenden.

Zwischenfazit nach vier Wochen E-Learning

Für das E-Learning ist die klare Festlegung der digitalen Kommunikationswege eine Grundvoraussetzung. Bei zu vielen Parallelsystemen kann das E-Learning nicht sinnvoll organisiert und strukturiert werden. E-Learning-Plattformen müssen in Schulen schul- und datenschutzrechtlich abgesichert sein. Insbesondere die zeitliche Flexibilisierung des Lernens ist eine große Stärke des E-Learnings. Allerdings setzt dies eine hohe Selbstdisziplin der Lernenden voraus. Durch die gemachten Erfahrungen ergeben sich neue Perspektiven für die Diversifikation der Unterrichtsmethodik. E-Learning kann allerdings für die Meisterausbildung im Schreinerhandwerk aus unserer Sicht in wichtigen Bereichen den Präsenzunterricht insbesondere im Hinblick auf das „Können“ (Stichwort Werkstattunterricht) nicht vollständig ersetzen und ist auch kein gleichwertiger Ersatz für soziale Interaktion, wie sie der Präsenzunterricht bietet.

Meisterschüler, wie Malte Hoppen aus Sylt, haben in der Zeit der Schulschließung eine ganz eigene Sicht auf die Situation entwickelt: „Schule wird zum ersten Mal zu einer süßen, verbotenen Frucht, an welche man gerne gelangen möchte, aber es einfach nicht kann.“


Der Autor

Dr. Oliver Dünisch ist Diplom-Holzwirt und Schulleiter der Meisterschule Ebern für das Schreinerhandwerk.


Meisterschule Ebern

Die Meisterschule Ebern für das Schreinerhandwerk gehört mit maximal 60 Fachschülerinnen und Fachschülern zu den kleinen Fachschulen in Bayern. Sie konzentriert sich ausschließlich auf die Meisterfortbildung im Schreiner- bzw. Tischlerhandwerk. Für die dreisemestrige, 18-monatige Vollzeit-Fortbildung wird kein Schulgeld erhoben. Semesterbeginn ist jeweils im Februar und September. Der Fachschule ist ein Wohnheim angegliedert, in dem Interessierten 20 Zimmer als preiswerte Wohnmöglichkeit zur Verfügung stehen. Schulführungen am 17. Juli und 20. November 2020, jeweils 13:30.

www.meisterschule-ebern.de

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