Auch in diesem Jahr fand die im HGH-Kontext etablierte, allseits bekannte Übungsfertigung (UEF) des Abschlussjahrganges der angehenden Holztechnikerinnen und Holztechniker statt. Das größte und somit umfangreichste Projekt, welches eine Zeitspanne von ca. sechs Monaten umfasst, soll in möglichst realitätsnahen Schritten mit Unterstützung der Lehrer durchlaufen werden. Fast alle Unterrichtsfächer der Holztechnikerklassen im zweiten Jahr werden in das Projekt mit einbezogen. Von den Anfängen im Entwurf, über die Möbelkonstruktion, die Kalkulation, oder den Vorrichtungsbau. Überall nehmen die angehenden Technikerinnen und Techniker Wissen mit und wenden dies bei dem Projekt an, um am Ende das entworfene Möbel in einer Kleinserie von etwa 100 Stück fertigen zu können. Der einzige Unterschied zu den Jahren und Jahrzehnten zuvor jedoch ist, dass sich die Benennung des Projektes geändert hat. Mit der neuen Bezeichnung Unternehmensprojekt Serienfertigung, kurz auch USF, wird der konkrete Inhalt des Arbeitsauftrags genauer widergespiegelt.
Vom Entwurf zur Realisierung
So startete auch die Technikerklasse HT21 in das USF. Im Klassenverband musste ein Möbel gefunden, entworfen und entwickelt werden, dass jedem Mitglied der Gemeinschaft zusagte. „Wir sind unsere eigenen Kundinnen und Kunden“, unter dieser Prämisse sollte das Möbel konzipiert sein. Eine nicht sonderlich einfache Aufgabe bei 24 Menschen mit verschiedensten Geschmäckern und Vorstellungen.
Die Ideenfindung war vielfältig. Durch eine doch recht heterogene Mischung an Beteiligten im Bereich der Profession (Möbeltischlerinnen und -tischler, Bautischlerinnen und -tischler, ein Parkettleger, ein Zimmermann, sowie ein Holzmechaniker) konnte viel Wissen generiert und kombiniert werden. Das hatte den Werdegang des Möbels sehr spannend, aber auch recht aufwendig gestaltet.
Unternehmerisch denken
Der Entwurf stand, nun ging es darum ein fiktives Unternehmen zu gründen. Dazu gehörte unter anderem eine Unternehmensstruktur zu etablieren, Abteilungen zu gründen und diesen Abteilungen Personen zuzuweisen. Neben der Betriebsleitung wurden die Abteilungen Konstruktion, Arbeitsvorbereitung, Marketing und die Produktion gegründet. Übergreifend sollte es einen Vorstand geben, der sich aus der Betriebsleitung und der Leitung jeder Abteilung zusammensetzte. Er bildete die höchste Instanz und wurde ins Leben gerufen, um ein besseres Miteinander im Unternehmen zu erreichen und die Kommunikation zu vereinfachen.
Strikte Aufgabenverteilung
Jede Abteilung hatte ihre Aufgaben, denen sie nachkommen musste. Die Betriebsleitung hielt alles am Laufen, kümmerte sich um wichtige technische Dokumente und blieb immer in Rücksprache mit den Abteilungsleitungen. Die Konstruktion musste sich mit der konstruktiven, detaillierten Ausarbeitung des entworfenen Möbels beschäftigen. Sie fertigten eine Konstruktionszeichnung inklusive Stückliste an, bauten das sogenannte Nullstück und machten es möglich, dass das Möbel als Kleinserie produziert werden konnte. Den Einkauf von Materialien führte jede Abteilung selbstständig durch, da hier eine gewisse Unabhängigkeit voneinander geschaffen werden sollte.
Ganzheitlich geplant
Die Aufgaben des Marketings umfassten die Vermarktung und den Vertrieb des Crate unter anderem auf Instagram. Die Abteilung präsentierte das Nullstück, das jährliche Highlight in dem USF, an dem sich das Lehrerkollegium und alle Schülerinnen und Schüler im Blauen Salon zusammenfanden. Zusätzlich empfingen sie Besucherklassen, führten diese durch die Schule und die Produktion und betrieben nebenbei eine Cafeteria. Die Finanzierung des USF geschieht auf Kosten der Schülerinnen und Schüler, wodurch der Verkauf von Essen und Getränken während der Produktion als Einnahmequelle diente und die Kosten des Crate etwas decken sollte.
Die Arbeitsvorbereitung erstellte einen Arbeitsplan für die Produktion, in der alle notwendigen Maschinen und alle Mitarbeitende aufgeführt und eingeplant waren. An einem BDE-Gerät wurden täglich alle Arbeitszeiten und Arbeitsschritte elektronisch erfasst. Dazu gab es passende Laufkarten und Arbeitsscheine. Die Laufkarten zeigten an, in welchem Bearbeitungsschritt sich ein jedes Einzelteil gerade befand und welcher als nächstes Folgen würde. Die Arbeitsscheine halfen bei der Verteilung der Aufgaben an die Mitarbeitenden und schafften eine Übersicht darüber, welche Aufgaben erledigt oder noch offen waren. Die Produktionsleitung konnte so eine übersichtliche, gut strukturierte Produktion leiten.
Praxisnahe Fertigung
Für die Produktion stand der Technikerklasse die gesamte Schulwerkstatt mit einem hochmodernen Maschinenpark zur Verfügung. Jede Maschine, von der Handoberfräse bis hin zu den klassischen Maschinen wie Kreissäge und Dickenhobel, wurde in vollem Ausmaß genutzt. Jeder Schüler und jede Schülerin konnte sich in diesem Projekt entfalten, Wissen und Erfahrungen teilen, sich neuen Aufgaben stellen und einiges dazu lernen. Durch die enge Zusammenarbeit während des USF wuchs die Klassengemeinschaft noch weiter zusammen, was sich auf die Produktivität und Motivation in der Produktionswoche positiv auswirkte.
Dabei entstanden ist Crate, ein hängendes Kleinmöbel, welches z. B. als Nachttisch oder Flurmöbel eingesetzt werden kann. Die Außenhülle wurde mit einem farblich auswählbaren Formvlies ummantelt. Die Front, farblich ebenfalls auswählbar, besteht aus CDF mit einem Schichtstoff von Fenix beschichtet. Die Schubkästen sind ebenfalls aus Eiche, mit einer maschinell hergestellten Fingerzinkenverbindung. Alle Maße sind nach dem Goldenen Schnitt berechnet.
Teambildendes Projekt
So schaffte die HT21 es mit 24 angehenden Technikerinnen und Technikern, in eineinhalb Wochen eine Stückzahl von 103 Crate’s erfolgreich zu produzieren. Drei Exemplare konnten auf der in Hannover stattfindenden Holzindustriemesse Ligna vom 15. bis 19. Mai 2023 begutachtet werden. Einige Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen gaben auf dem Stand der HGH Hildesheim einen kleinen Einblick in das Fortbildungsprogramm der Schule und erzählten über Projekte und persönliche Erfahrungen.