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Ein Familienbetrieb positioniert sich: Wir sind die raum.möbel.bauer!

Ein Familienbetrieb positioniert sich: Wir sind die raum.möbel.bauer!
Raus aus der Beliebigkeit

Mit Mut die eigenen Ziele verfolgen: Auf diese Weise hat sich die Tischlerei Schnurr erfolgreich zu einer Marke entwickelt. Denn wer zu viele Kunden ansprechen möchte, wird beliebig, austauschbar. Also wurde der Kundenstamm verkleinert. Eine gewinnbringende Entscheidung.

Christine Speckner

Es sei richtig gewesen, die Fensterproduktion aufzugeben, sagt Christian Schnurr. „Und wir reparieren auch keine Fenster mehr“, fügt der Schreinermeister und Inhaber der gleichnamigen Tischlerei hinzu. Heute kann der Familienbetrieb auch mal Nein sagen. Und sich auf seine eigentlichen Stärken konzentrieren. Das sei ein langer Prozess, erzählen die Schnurrs beim Besuch in ihrer neuen Ausstellung. Diese punktet mit einer coolen Bar, einer Küchenzeile mit Bemusterungsschrank und selbst designten Tischen. Anstelle der ehemaligen Fensterwerkstatt lädt heute ein Showroom ein. Eine Dorfschreinerei, die sich zu einer Marke entwickelt hat – das klingt spannend und macht Lust, die sympathische Schreinerfamilie kennenzulernen.

Schon auf der Fahrt ins badische Merdingen fallen im Umfeld etliche kleine Schreinereien auf, die alle so ziemlich das gleiche Angebot haben. Zumindest nimmt es der Kunde so wahr. Schränke, Küchenmöbel, Tische, die Liste ließe sich noch lange weiterführen. Auch bei Familie Schnurr lief das so. „Alles in allem viel Aufwand im Verhältnis zum Ertrag“, fasst Eveline Schnurr die Erfahrungen der letzten 25 Jahre zusammen. Davon hatten sie genug. „Wir wollten weg vom Meister Eder-Pumuckl-Image und uns mehr abheben.“

Gewünschte Ziele erreichen

Neue Impulse brachte eine Weiterbildung bei Roland Schraut, einem Mentor im Handwerk. Das ist jetzt fünf Jahre her. „Wir sind aber immer noch dabei und tauschen uns in regionalen Gruppen aus“, sagt Christian Schnurr. So haben sie ihre Firma gründlich unter die Lupe genommen. Produkte und Dienstleistungen kamen auf den Prüfstand. „Da haben wir gemerkt, wieviel Zeit uns der Fensterbau kostet“, so Christian Schnurr. Heute werden die Fenster zugekauft. Die frei gewordenen Kapazitäten stecken sie in individuelle Ausbauten und in die Gestaltung von anspruchsvollen, hochwertigen Möbeln, überwiegend für Privatkunden, die sich Qualität leisten.

Im Gespräch klingt viel Begeisterung mit. Wie aber kommt man zu so einer klaren Positionierung? Das funktioniere zum Beispiel mit einer konkreten Zielformulierung. So aufwendig es auch klingt: Die Schnurrs setzen sich für jede Woche schriftlich ein Ziel. Es zu erreichen, gibt ihnen die Motivation weiterzumachen. Auf diese Weise haben sie sich Schritt für Schritt von eingefahrenen Denkmustern verabschiedet und sich zu gefragten Experten für gehobenen Inneneinbau nach Maß entwickelt.

„Mein persönliches Ziel war es zum Beispiel, mehr Zeit für die Beratung zu haben,“ sagt Christian Schnurr, der sich als Partner von Topateam zum Einrichtungsberater weitergebildet hat. „Das ist meine Stärke.“ Mit dem neuen Ausstellungsraum kann er diese Kompetenzen noch besser ausspielen. Eine alte Tischler-Werkbank aus dem eigenen Bestand sorgt für den authentischen Look und dient als Ablage neben dem Bemusterungsschrank. Die neue Ausstellung kommt gut an. Im Vergleich zu früher treffen die Kunden oft eine schnellere Kaufentscheidung, weil Verkaufsgespräche auch mal locker im Stehen an der Werkbank stattfinden. Direkt beim Experten vor Ort.

Mit Gewinn kalkulieren

Wer Hochwertiges verkauft, muss dies preislich sichtbar machen. Dass sie in einer anderen Preisliga unterwegs sein wollten, haben Schnurrs bald gemerkt und entsprechende Maßnahmen umgesetzt. Um gewinnbringend zu kalkulieren, wurden die Preise für Produkte rund zehn Prozent erhöht. Ein Prozess, der mehrere Jahre dauerte. So leicht war die Umstellung nicht. Christian Schnurr kennt das: „Oft denkt man, das sei zu teuer und dann geht man mit dem Preis runter. Dieses Denken muss raus“, sagt er. Heute gibt es interne Grenzen für Mindestauftragswerte, die nicht unterschritten werden. Sie werden vorab festgelegt, damit lässt sich eine gute Marge erzielen.

Die Wertschätzung für die eigene Leistung zieht sich wie ein roter Faden durch alle Entscheidungen im Betrieb, bis zum wertigen Angebot in Papierform. Mit Erfolg. Als Spezialist für hochwertigen Innenausbau hat sich die Schreinerei in der Region um Freiburg im Breisgau einen Namen gemacht. So kommen inzwischen Kundenanfragen, weil „der Schnurr immer so gute Ideen hat.“ Allerdings verzichtet Christian Schnurr auch mal auf einen tollen Auftrag, wenn der Kunde nach langem Hin und Her immer noch nicht unterschreibt und viel Zeit kostet. „Da trauen wir unserem Bauchgefühl und sagen Nein. Das schafft Freiraum für andere Projekte“, sagt Eveline Schnurr.

Junior Label mit eigener Zielgruppe

In der Tischlerei arbeiten fünf Gesellen und drei Azubis. Bei der Planung unterstützt eine Innenarchitektin in Teilzeit. Christian (56) und Eveline Schnurr (55) führen den Betrieb in zweiter Generation. Bei der Analyse des Betriebs sind auch die Ideen von Sohn Henrik eingeflossen. Der 21-Jährige arbeitet als Geselle mit, er wird den Betrieb einmal übernehmen. Der Nachwuchs sprüht vor Ideen, genau wie seine Eltern. Und erzählt begeistert von einem Seminar für Jungunternehmer, bei dem er sich berufsbegleitend weiterqualifiziert. Seit zwei Jahren experimentiert Henrik mit neuen Techniken. Unter seinem eigenen Label Schnurr design 3.0 fertigt er ausgefallene Holzmöbel mit Epoxidharz. Mit diesen Produkten spricht er auf Instagram bewusst eine jüngere Zielgruppe an. „Über mein Label möchte ich künftig junge Kunden und Mitarbeiter für unsere Firma gewinnen“, definiert er sein Ziel.

Die Wunschkunden definieren

Um die Fertigung zu optimieren, investierte die Tischlerei bereits 2011 in das CNC-Bearbeitungszentrum Dynestic 7516 von HolzHer. Damit holte sie die Wertschöpfung in den Betrieb. „Wir können direkt an der aufgelegten Platte formatieren und bohren. Und kleine Einzelteile fräsen, aber auch Plattengrößen bis 3000 x 1500 mm bearbeiten. Große Stückzahlen sind in kurzer Zeit mit einer Aufspannung möglich. Das ist für unsere Kleinserien ideal“, erklärt Henrik Schnurr. Die maschinelle Ausrüstung war ein Schritt in Richtung Profilierung, aber anfangs lief es nicht wirklich rund. Zu beliebig waren die Kunden, zu breit gefächert der Kundenstamm. Die Zielgruppe, für die man produzierte, war zu groß, wie sich beim Betriebsbesuch ihres Mentors Schraut herausstellte. Wer seine Zielgruppe groß definiert und damit möglichst viele Menschen erreichen will, gewinnt nicht automatisch mehr Kunden. Das wurde ihnen so langsam klar.

Also stellten sie sich der Aufgabe, den Kundenkreis genauer zu definieren, um sich besser zu positionieren. „Unsere Ausrichtung war zu allgemein. Das war uns nicht bewusst. Es hat richtig Spaß gemacht zu überlegen, mit welchen Kunden wir gerne zusammengearbeitet haben und so unsere Wunschkunden zu finden“, berichtet Eveline Schnurr. Wer empfiehlt uns weiter? Welcher Auftrag hat uns motiviert? Welche Persönlichkeitsmerkmale, Werte, Wünsche hat der Kunde, den wir uns wünschen? Auf einem Arbeitsblatt wurde das Profil des Wunschkunden beschrieben, dies zu verinnerlichen war ein längerer Prozess. Seitdem klar ist, wen sie eigentlich ansprechen möchten, vermarkten sie das Unternehmen gezielter, um diese Zielgruppe hundertprozentig zu erreichen.

Die Marke sichtbar machen

„Wir möchten zeigen, dass wir innovative Raumkonzepte bieten“, sagt Henrik Schnurr. Mit einer Werbeagentur fand sich das richtige Marketing. Das Logo wurde aufgefrischt. Die Kunden sollen mit dem Betrieb ja Eigenschaften verbinden, die zu ihnen passen. Um als Experte wahrgenommen zu werden, hat sich die Tischlerei einen Kunstnamen zugelegt. Die raum.möbel.bauer. Zugegeben, er ist ein bisschen sperrig. „Da musste ich mich erst anfreunden“, sagt Christian Schnurr. Die Schreibweise bleibt im Gedächtnis. Der neue Firmenname ist ein Hingucker am Markt, der das Selbstverständnis der Einrichtungsexperten gut rüberbringt. „Jetzt werden wir besser wahrgenommen“, weiß die Firmenchefin von Erfahrungen bei Messen. Man will sichtbar sein für Genießer. Für Kunden, die Qualität und gutes Design suchen. Deshalb ist das Schreinerteam regelmäßig auf einer regionalen Genuss-Messe präsent. Gut, da würde man jetzt nicht gleich einen holzverarbeitenden Betrieb erwarten. Aber genau hier treffen die Experten ihre Wunschkunden. Zwischen feinen Schokoladen, erlesenen Kreationen von Sterneköchen und Qualitätsweinen stellen sich auch die raum.möbel.bauer vor. Die ersten beiden Jahre allerdings, ohne einen Auftrag zu generieren. „Wir brauchten einen langen Atem“, erzählen sie. Inzwischen hat man Stammkunden gewonnen und wird vom Messeveranstalter als „Genusspartner“ beworben.

Mit Geschichten Kunden gewinnen

An frühere Verkaufsgespräche erinnert sich Christian Schnurr mit einem Schmunzeln: „Da habe ich halt meine Schränke verkauft und dem Kunden erzählt, wie toll die sind“, sagt er. Inspiriert durch die Weiterbildung wurden auch hier die Weichen neu gestellt, jetzt trainiert und nutzt er die Methode des Storytellings. Geschichten erzählen zu einem Produkt, das geht über ein rein informatives Verkaufsgespräch hinaus und fördert nach seiner Erfahrung die Kundenbindung. „Wir schauen, was zum Kunden passt.“ Ein Beispiel: Ein technikbegeisterter Kunde ließ sich überzeugen, als er ihm die technischen Highlights von Schnurrs Gin-Bar erläuterte. Wie mit dem herausfahrbaren Präsentationsregal der gute Tropfen perfekt in Szene gesetzt wird. Dazu eine kabellose Ladestation für Smartphones, die mit der Beleuchtung verbaut ist. Ganz anders eine Kundin, die in Altholz verliebt war: Ihr erzählte er die Geschichte der alten Eiche und welche Atmosphäre der Tisch im Raum verbreiten wird. Entscheidend ist, dass sich der Kunde das Produkt bereits zu Hause vorstellen kann und fühlt, wie es sein wird, es zu benutzen. Gute Storys bleiben im Gedächtnis. Der Auftrag wurde erteilt. „Kaufentscheidungen werden über Emotionen getroffen, das Bauchgefühl ist entscheidend“, sagt Eveline Schnurr. Apropos Emotionen: Die Firmenchefin hat ein Tagebuch angelegt. Darin sammelt sie Zeitungsausschnitte, Fotos, eigene Gedanken, die inspirieren – ein toller Ideenpool für das nächste Event oder den Firmenblog. So steht der Weiterentwicklung nichts mehr im Wege.

Schreinerei Schnurr GmbH

79291 Merdingen

www.die-raummoebelbauer.de


Die Autorin

Christine Speckner ist freie Journalistin. Sie lebt bei Freiburg im Breisgau.

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