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Auf der Walz: Diese Zünfte nehmen Tischler und Schreiner auf

Diese Zünfte nehmen Tischler und Schreiner auf
Auf der Walz

Auf der Walz
Jeder wandernde Geselle braucht einen Stenz, das ist ein eigentümlich gewachsener Wanderstab. An der Farbe und Beschaffenheit der „Ehrbarkeit“ – eine Art Schlips – lässt sich die Zunftzugehörigkeit erkennen, hier: „Fremden Freiheitsschacht“
Immer öfter sieht man heutzutage wieder Wandergesellen in ihrer traditionellen Kluft an Tankstellen oder Autobahn-Auffahrten stehen, die auf eine Mitfahrgelegenheit warten. Eigentlich war die Tradition „auf die Walz“ zu gehen schon fast ausgestorben, doch seit einigen Jahren erlebt sie eine Renaissance. Dabei sind es nicht nur Zimmerer, die diesen Brauch pflegen, auch im Tischlerhandwerk machen sich wieder vermehrt Gesellen auf den Weg, um drei Jahre und einen Tag durch die weite Welt zu reisen.

Die Wanderschaft hat eine lange Tradition, die bis weit ins Mittelalter zurückgeht. Damals wurde in vielen Gegenden von den Zünften eine an die Lehrjahre anschließende Wanderschaft vorgeschrieben. Heutzutage ist die Wanderschaft nicht mehr Vorschrift, doch wer sich entschließt auf „Tippelei“ zu gehen, muss sich trotz allem noch an gewisse „Regeln“ halten. Zuerst müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein: So muss der Geselle sein Handwerk ordnungsgemäß ausgelernt haben, er muss ledig und ungebunden sein, darf keine Schulden haben und sollte nicht älter als 30 Jahre sein.

Außerdem braucht ein Wandergeselle eine „Kluft“, die Kleidung, durch welche er auch von Außenstehenden sofort als Wandergeselle erkannt wird. Diese Kluft besteht aus einem Hut (Koks, Schlapphut oder Zylinder), dem Zeichen des freien Mannes, einer „Staude“, welches ein kragenloses, weißes Hemd ist, einer Weste, einer Zunfthose, der „Ehrbarkeit“ (eine Art Schlips) und einer Zunftjacke. Die Weste, die Hose und die Jacke sind in der Regel aus Samt- oder Manchesterstoff gefertigt. Ihre Farbe ist schwarz, manche Tischler sind aber auch zu einem dunklen Braun übergegangen. Die Weste muss acht Perlmuttknöpfe aufweisen, sie stehen für den 8-Stunden Tag. Die Jacke muss dagegen sechs Perlmuttknöpfe, für die 6-Tage Woche, vorweisen können. Die Hose hat in der Regel einen „Schlag“ von mindestens 65 cm. Die „Ehrbarkeit“ ist ein Erkennungsmerkmal der Gesellen untereinander. An ihrer Farbe und Beschaffenheit lässt sich die Zunftzugehörigkeit erkennen. Ebenso braucht der Geselle einen Stenz, das ist ein eigentümlich gewachsener Wanderstab, auch Knotenstock genannt.
Ferner trägt der Wandergeselle einen goldenen Anhänger im linken Ohr. Diese Sitte rührt noch aus der Zeit, als man als Wandergeselle all sein Vermögen mit auf die Walz nahm. Das war damals in der Regel nicht viel und so ließen sich die Gesellen ihre Barschaft zu einem goldenen Ohrring verarbeiten, welcher gut geschützt am Ohr auch nur schlecht gestohlen werden konnte. Dieser Ohrring diente auch als Bezahlung für ein Begräbnis, falls der Geselle unterwegs ums Leben kommen sollte.
Ein wichtiges Utensil des Gesellen ist sein Wanderbuch. In diesem Buch werden seine verschiedenen Arbeitseinsätze von den Meistern oder Auftraggebern festgehalten. Ebenso wird hier vermerkt, wenn der Geselle in einer Stadt um eine kleine Unterstützung angefragt hat. Dieses Wanderbuch wird mittlerweile von der Vereinigung europäischer Gesellenzünfte herausgegeben und ist in vier Sprachen verfasst.
Schließlich braucht der Wandergeselle noch einen Charlottenburger, auch Berliner genannt. Dieses ist ein Bündel, welches seine Arbeitskleidung und sein Werkzeug enthält. Die genaue Technik des Bindens dieses Bündels wird nur von Geselle zu Geselle weitergegeben.
Heutzutage muss man sich nicht mehr unbedingt einer Zunft anschließen, um auf die Walz gehen zu können. Es ist genauso gut möglich frei zu reisen. Freireisende werden nicht schlechter angesehen, als Zunftmitglieder, sie haben nicht die Verpflichtung zu bestimmten Gesellenabenden erscheinen zu müssen, dafür verzichten sie aber auch etwas auf den Zusammenhalt der Zunftmitglieder untereinander. Wer auf Wanderschaft geht, wird „fremdgeschrieben“, wenn die Wanderzeit vorbei ist, meldet der Geselle sich in einem Ort „heimisch“. Er bleibt auch nach der Wanderzeit seiner Zunft zugehörig. Um die Riten und Gebräuche der Gesellen untereinander zu lernen, wird jeder Wandergeselle die ersten Monate von einem so genannten Exportgesellen begleitet, der ihn in alle Regeln und Geheimnisse einweist.
Die Wanderzeit beträgt drei Jahre und einen Tag. Im ersten Jahr seiner Wanderschaft darf sich der Geselle nur in Deutschland aufhalten, danach ist er frei, die ganze Welt zu bereisen. Dabei sollte er wenn möglich zu Fuß oder per Anhalter reisen, Bahnfahren ist verpönt, für weite Strecken (Übersee) sind aber Flugzeuge und Schiffe erlaubt. Für alle Gesellen auf der Walz gilt die so genannte „Bannmeile“. Diese besagt, dass sie sich ihrem Heimatort für die Dauer ihrer Wanderschaft nicht auf mehr als 50 km nähern dürfen. Ausnahmen werden nur bei Todesfällen im engsten Familienkreis zugelassen.
Die meisten Gesellen möchten ihre Wanderzeit nicht mehr missen und sprechen von einer der schönsten und lehrreichsten Zeiten ihres Lebens. So manch einer bleibt auch auf der Walz hängen und schafft es nicht, wieder beständig an einem Ort zu arbeiten. Die Mehrzahl aller Gesellen aber schaffen diesen Absprung und sind in allen Betrieben besonders gerne gesehen.
Mareike Schaal

Adressen
Diese Zünfte nehmen Tischler und Schreiner auf:
Fremder Freiheitsschacht
Frank Moosbrugger
Am Leimbach 3
77948 Friesenheim
Tel 07821 997678
Axt und Kelle
Diese Zunft möchte keine Adresse veröffentlichen. Wer hier Tippeln möchte, muss einen Gesellen von Axt und Kelle ausfindig machen und dort anfragen.
Freier Begegnungsschacht
Weitere Infos unter E-Mail:
Vereinigung der rechtschaffenen fremden Zimmerer- und Schieferdeckergesellen Deutschlands
Diese Zunft nimmt alle Bauberufe auf, Tischler und Schreiner können also auch hier anfragen.
Altgeselle Jörg Handke
Lechenicherstr. 9
50937 Köln
Tel 0221 4249843 oder
0175 2439613
 
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