Die Tischlerei Schaldach Möbelbau + Raum aus Blankenhain in Thüringen hatte einen Hilferuf aus einer sonderpädagogischen Einrichtung erhalten: Ein Mensch mit Behinderung würde gerne ein Langzeitpraktikum machen. Das Team rund um Tischlermeister Thomas Schaldach überlegte hin und her: War die Arbeit nicht viel zu komplex und auch gefährlich? Schaldach erinnert sich: „Mir war schon etwas flau im Magen.“ In seiner Tischlerei werden täglich hochwertige, individuelle Möbel für Klinik, Gastronomie und Privatkunden gefertigt. Und als Topateam-Partner sind auch Handelswaren im Programm. Würde er mit seinen sechs Mitarbeitern die Aufgabe stemmen können?
Vieles ist schwierig und doch gibt es Erfolge
Gemeinsam mit seiner Frau Yvette entwickelte der Tischlermeister ein Konzept und sprang ins kalte Wasser. „Anfangs konnte Udo nicht einmal einen Zollstock richtig halten. Lesen, Schreiben, Maßangaben … alles schwierig. Auch in Sachen Aufmerksamkeit und Konzentration hat er durch eine angeborene Krankheit große Defizite.“ Die Prognose seiner Betreuer war eindeutig: Auf dem ersten Arbeitsmarkt werde er kaum eine Chance haben. Doch Thomas Schaldach gewann mit seiner ruhigen Ausstrahlung und seinem ernsthaften Bemühen das Vertrauen des Praktikanten. „Mein Ziel ist, dass jeder Tag für ihn zu einem Erfolgserlebnis wird und er weiß, dass er gebraucht wird und etwas kann!“ Das ist nicht einfach, denn durch die Behinderung versteht der junge Mann an einem Tag etwas, hat es aber am nächsten Tag schon wieder vergessen. So macht sich das Team jeden Tag aufs Neue Gedanken, welche Aufgaben man ihm übertragen kann.
Wichtige Stütze in schwerer Zeit
Zwar dauert vieles länger, aber mittlerweile sind deutliche Fortschritte erkennbar. Weil das Abarbeiten eines Zuschnittplanes an der vertikalen Plattensäge viel zu komplex ist, wurde für die neue Nesting-Maschine die Software so optimiert, dass auch der Integrationsschüler die Maschine zumindest ansatzweise zuverlässig bedienen kann. „Mit der Nestingmaschine können wir auch als Zulieferer für andere Schreinereien tätig werden, sodass Udo vielleicht noch intensiver in der Fertigung beschäftigt werden könnte.“
Doch auch wenn die Begleitung von Udo deutlich über die normale Mitarbeiterführung hinausgeht, möchte das Team der Tischlerei nicht mehr auf ihn verzichten. Yvette Schaldach erzählt: „Vor vier Jahren erkrankte mein Mann plötzlich schwer und fiel lange aus. Schon damals war Udo eine wichtige Stütze und Hilfe, denn er war der einzige, der sich mit der Heizungsanlage auskannte. Wir bekommen so viel von ihm zurück, das Strahlen in seinen Augen ist kaum zu beschreiben und auf ihn ist immer Verlass. Und wir sind sehr stolz auf unser gesamtes Team, das die Herausforderung mit uns gemeinsam trägt.“
Alle haben Fingerspitzengefühl entwickelt
Mittlerweile ist der behinderte Jugendliche fest angestellt. Sogar seinen Führerschein hat Udo inzwischen in der Tasche und kann so auch für Besorgungen eingesetzt werden. Auch bei Montagen ist er dabei. Zudem erledigt der junge Mann vieles rund um Werkstatt und Außenanlagen.
Sein sehnlichster Wunsch, eine Ausbildung zum Tischler zu machen, wird jedoch nicht in Erfüllung gehen. Dazu sind die Anforderungen zu komplex. Überhaupt braucht es oft viel Einfühlungsvermögen, damit der Jugendliche nicht überfordert oder frustriert wird. Doch Yvette Schaldach sieht auch die andere Seite: „Ich freue mich immer, wenn ich mitbekomme, wie viel Fingerspitzengefühl die Schaldach-Mitarbeiter im Umgang mit Udo beweisen.“ Überhaupt sei das Team durch die Aufgabe weiter zusammengewachsen.
Unternehmerisches Denken und stetige Prozessverbesserung gehören für die Meister, Gesellen und Auszubildenen bei Schaldach zum Alltag und auch Udo wird selbstverständlich nach seiner Meinung gefragt. „Er redet zwar nicht viel, doch er ist ein guter Beobachter und stellt manchmal Dinge infrage, über die wir überhaupt noch nicht nachgedacht haben. Das schätzen wir sehr.“
Mehr als nur ein Arbeitgeber
Da der junge Mann aus schwierigen familiären Verhältnissen kommt, helfen Thomas Schaldach und seine Frau ihm auch bei alltäglichen Dingen wie einer Kontoeröffnung, Handyvertrag oder Behördengängen. „Wir sind für ihn mehr als nur Arbeitgeber.“ Die beiden sind sich einig: „Diese Aufgabe hat uns alle viel Zeit und Nerven gekostet und das tut sie auch heute noch, aber es erfüllt uns auch, hier jemanden zu begleiten und eine echte Zukunftsperspektive zu bieten. Und oft müssen wir einfach lachen, wenn etwas ganz anders läuft als wir uns das gedacht haben. Eine extra Portion Geduld und die Gabe, manches mit einem Lächeln zu nehmen, ist da sehr hilfreich.“
Im Januar 2020 wurde Schaldach Möbelbau + Raum mit dem Thüringer Landespreis für vorbildliches Engagement für Menschen mit Behinderungen und herausragendes betriebliches Eingliederungsmanagement ausgezeichnet.
Schaldach Möbelbau + Raum
99444 Blankenhain
www.schaldach-moebelbau-raum.de