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Aus Alt mach Wert

Werkstatt-Besuch bei Dock Zwo
Aus Alt mach Wert

Upcycling, aus alten Dingen neue machen, liegt im Trend. Daniel Haßheider und Jens Ammermann von der Tischlerei Dock Zwo haben daraus ein maritimes Geschäftsmodell entwickelt. Aus Treibholz und alten Holzbooten fertigen sie Möbel mit einmaligem Design.

Christine Speckner

„Wenn se Standard willen, gahn se man beter waaranners hen!“ Das ist Plattdeutsch. Tischlermeister Daniel Haßheider übersetzt mit einem sympathischen Lächeln: „Bei uns gibt’s keinen Standard, da müssen Sie woanders hin.“ Haßheider sieht genau so aus, wie man sich den Jung von der Küste vorstellt: Er trägt Bart, Mütze und Tätowierung am Oberarm. Seine Leidenschaft gilt den Wellen, die hier am Hafen von Emden reichlich zu sehen sind. Zusammen mit Jens Ammermann (37) gründete der 36-Jährige vor fünf Jahren die Tischlerei Dock Zwo in Emden, die überwiegend im Möbel- und Ladenbau unterwegs ist und sich als kreative Massivholztischlerei in der Gegend schnell einen Namen gemacht hat. Mit einem Konzept, das nicht gerade alltäglich ist.

Upcycling auf nordisch

Aus Altholz neue Möbel bauen, mit hohem Anspruch an Form und Design, darin sehen die beiden ihre persönliche Marktnische. Mit der alten Segeljolle von Daniel Haßheider fing es an. Ein fünf Meter langes Boot, ziemlich marode. „Ich hätte zu viel Geld reinstecken müssen“, erzählt Haßheider. Also griffen sie zur Motorsäge und bauten ein Big Sofa für einen Privatkunden daraus. Weitere Bootsmöbel wurden für ein Einzelhandelsgeschäft konzipiert, das darin Kinderkleidung präsentiert, ein Friseurgeschäft beauftragte ein Wartesofa aus einem Altboot.

In der Werkstatt von Dock Zwo bekommen aber auch gebrauchte Baggermatten aus Bongossi, Eiche oder Rotbuche mit natürlicher Patina ein neues Gesicht. Sie werden zu Möbelunikaten verarbeitet, zum Beispiel eine Empfangstheke für ein Optikergeschäft, mit direkter Wasserlage in Emden. „Aus Altholz, besonders aus alten Holzbooten, realisieren wir häufig Projekte, die im gewerblichen Bereich angesiedelt sind“, sagt Ammermann. Möbel aus Dreischichtplatten kombiniert mit Altholz oder Stahl werden ebenso gefertigt. Der Aktionsradios von Dock Zwo reicht über Norddeutschland hinaus bis nach Wien. Dort wurde für einen Privatkunden ein Altholzsitzmöbel aus Eiche realisiert. Zudem sind die Jungs auftragsmäßig öfter auf den Ostfriesischen Inseln unterwegs: für Spiekeroog eine Küche gefertigt, auf Norderney die Innenausstattung für eine Ferienwohnung, die der zufriedene Kunde unter dem Namen Dock Zwo vermarktet.

Mit dem Bulli auf Werbefahrt

Jens und Daniel sind dem Wasser verbunden. Der eine ist Windsurfer, der andere Wellenreiter. Anfangs haben sie Treibholz noch selbst an der Küste gesammelt. Mit dem schwarzen VW-Firmenbulli. Damit fielen sie auf, was den Bekanntheitsgrad steigerte. Inzwischen wird ihnen Altholz angeboten, wenn alte ostfriesische Bauernhäuser, sogenannte Gulfhöfe, abgerissen werden. Manchmal kaufen sie das gesamte Gebälk oder retten ein einzelnes Scheunentor vor dem Abriss. „Daraus haben wir auf Wunsch eines Kunden einen XXL-Tisch gebaut“, erzählt Jens.

Nun ist Upcycling – aus Alt mach Neu – schon ein Dauertrend. Ist der nicht bald passé? Nein, die Nachfrage sei nach wie vor groß. Immerhin, das Start-up kann mit viel Erfahrung in der Verarbeitung von Altholz punkten. Das schafft Vertrauen beim Kunden. Viel Verschnitt, das ist das eine, oft ist der Wurm drin. Außerdem eignet sich nicht jedes angeschwemmte Altholz für die Produktion von hochwertigen Möbelteilen. Da gilt Sorgfalt schon bei der Auswahl. Die Bearbeitung von gebrauchten Holzbaggermatten hat auch ihren Preis: Ein hoher Steinanteil in der Erde führt zu schnellerem Verschleiß bei Maschinen. Hobelmesser müssen häufig erneuert werden, Sägeblätter sind schnell stumpf. „Wir empfehlen nicht jedem Kunden den Einbau von Altholz. In Neubauten mit KfW-50-Förderung funktioniert das nicht. Die Häuser sind zu trocken“, sagt Ammermann. Da fertigen wir lieber aus Massivholz und trimmen es auf alt.“

Führungsteam Kaufmann-Tischler

Als Schulfreunde spielten Ammermann und Haßheider in einer Punkband. Dann trennten sich zunächst ihre Wege. Jens lernte Automobilkaufmann, er hat langjährige Erfahrung im Qualitätsmanagement. Daniel sammelte als Tischler Berufserfahrung in Neuseeland, arbeitete in Hamburg als Freelancer im Möbel- und Kulissenbau für Theater, TV und Messe. Machte den Meister und Holztechniker. Jahre später trafen sie sich wieder und stellten fest, dass sie dieselbe Idee hatten: Selbstständigkeit. So gründeten sie 2014 gemeinsam ihr Start-up. Das gemeinsame Führungsmodell Tischler-Kaufmann sagte ihnen zu, da Jens einen Betrieb kannte, bei dem dies gut funktionierte. Eine Produktionshalle war schnell gefunden: 300 m² im Außenhafen von Emden. Der Firmenname „Dock Zwo – die Tischlerei“ passte auf Anhieb. Die Standardausstattung des Vorgängers konnten sie miterwerben.

Die beiden ergänzen sich gut: Während Daniel im Tischlerhandwerk zu Hause ist und „weniger der Bürofan“, kümmert sich Jens mehr um die kaufmännischen Aufgaben. Dazu drei junge Mitarbeiter: Ein Geselle und zwei Azubis sind mit an Bord.

Gewinnspiel bringt Neukunden

Der Standort Emden liegt direkt an der Nordseeküste, nicht gerade zentral. „Wir sind am Ende der Autobahn“, sagt Jens und grinst. Das Internet biete eben die Chance, Kunden zu erreichen. Dock Zwo setzt ausschließlich auf Online-Marketing. Daniel hat sich bereits in seiner Holztechnik-Facharbeit mit dem Potenzial sozialer Netzwerke für das Tischlerhandwerk beschäftigt. Auf Facebook hat die Tischlerei 2500 Follower, auf Instagram 2200. Wie funktioniert das? Daniel erklärt: „Eine Kundin mit vielen eigenen Followern hatte zum Beispiel gepostet, dass wir gerade ihren Tisch bauen und sie sich darauf freut. Innerhalb von zwei Stunden hatten wir 100 Likes mehr.“ Außerdem schreiben die Follower von Dock Zwo, wenn sie deren Beiträge gesehen haben. Sie wollen zum Beispiel wissen, wie viel die Produkte kosten. Wie viele Aufträge über Instagram kommen, lässt sich nicht exakt sagen. Sicher ist: Fast 80 Prozent aller Aufträge werden über Social Media generiert. Im Gespräch bleiben sei wichtig. Die Nutzer sollen einen Einblick in die Arbeit bekommen und merken, dass die Tischlerei Wert auf Qualität und gute Beiträge legt. Ein Erfolgstipp: Gewinnspiele und die richtigen Hashtags. Hunderte Kommentare von Usern, und damit viel Aufmerksamkeit gab es zum Beispiel bei der Verlosung eines Esstischs von Dock Zwo anlässlich Weihnachten 2018. Dabei sollten die Teilnehmer posten, wen sie als erstes zum Essen an diesen Tisch einladen möchten und dabei den Hastag #dockzwo verwenden. Interaktionen seien für die Kundenbindung wichtig, sagt Daniel. „Wir wollen ja auch entertainen.“

Mehr Produktivität mit Serie

Vergangenes Jahr gab es einen Großauftrag: der Innenausbau eines Ladengeschäfts mit 1500 m² Fläche. „Da kamen wir an unsere Kapazitätsgrenze“, räumt Jens ein. Eine CNC-Maschine steht trotzdem nicht auf dem Plan. „Das lohnt sich nicht. Wir legen Wert darauf, unsere Produkte konventionell herzustellen“, betont Daniel. Wird ein furniertes Möbel beauftragt, greift man schon mal auf einen Zulieferer zurück. Planung, Gestaltung und den Bau von hochwertigen, individuellen Projekten geben die beiden aber nicht aus der Hand. Mit dabei ist die Software Vectorworks Interiorcad, die unter anderem Präsentation und Arbeitsvorbereitung erleichtert. „Unsere Tischplatten bearbeiten wir aber immer noch mit der Handschleifmaschine“, sagt Haßheider. In Zukunft soll mithilfe einer Breitbandschleifmaschine wirtschaftlicher produziert werden. In eine Kantenanleimmaschine Holzher Trim 1402MF wurde bereits zu Jahresbeginn investiert. Außerdem zieht die Serie bei den Jungtischlern ein – zumindest auf niedrigem Level: Mit einem befreundeten Tischler und Bühnenbauer wurde ein Musikpavillon entwickelt, der in drei Größen gefertigt wird. Ein Stecksystem aus Multiplexplatten. Vermarktet wird die Neuheit über Social Media und die eigene Homepage. Na klar.

„Nur die Zeit“, sagt Haßheider und kratzt sich am Hinterkopf. Neben dem Alltagsgeschäft fotografiert und postet er jeden Tag, beantwortet Kommentare im Netz, und Online-Gewinnspiele machen sich auch nicht von selbst. Dazu kommt die Planung der neuen Homepage mit Onlineshop. Das klingt nach viel Arbeit. Und noch mehr Kreativität. Beide nicken. „Genau. Das ist unser Ding.“

Dock Zwo

26723 Emden

www.dock-zwo.de


Die Autorin

Christine Speckner ist freie Journalistin und lebt bei Freiburg.

www.christine-speckner.de

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