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BM-Serie Glasschäden, Teil 2: Drucksprung

BM-Serie Glasschäden, Teil 2: Drucksprung
Der zeitversetzte Glasbruch

Moderne Isolierglasscheiben punkten vor allem durch eine hohe Wärmedämmung. Um diese zu erhöhen, werden teilweise die Scheibenzwischenräume vergrößert. Dadurch entsteht oft der Isolierglas- oder Doppelscheiben-Effekt“, also das Ein- und Ausbauchen der beiden äußeren Scheiben, die zu diversen Glasschäden führen können.

Ekkehard Wagner

Der Trend von hochwärmedämmenden Zweifach- ist längst zu Dreifach-Isoliergläsern gewechselt. Dabei können U-Werte von 0,7 W/m2K oder niedriger erreicht werden. Und dabei müssen alle Formate und Größen herstellbar sein. Wer jetzt noch preiswerte Systeme haben möchte, bleibt bei Argon als Füllgas im SZR anstelle von Krypton oder Argon/Krypton-Mischungen und erweitert den Scheibenzwischenraum bis auf 2 x 14, 2 x 16 oder gar 2 x 18 mm, um den niedrigst möglichen U-Wert zu erreichen zu einem möglichst niedrigen Preis. Und hier beginnt die Problematik solcher Systeme: je breiter der Gesamt-SZR, desto größer auch der „Isolierglas- oder Doppelscheiben-Effekt“, also das Ein- und Ausbauchen der beiden äußeren Scheiben aufgrund von Temperatur-, Luftdruck- und/oder Höhenunterschieden zwischen Herstell- und Einbauort.

SZR lässt keinen Druckausgleich zu

Da der Scheibenzwischenraum (SZR) von Mehrscheiben-Isolierglas von der Umgebungsluft hermetisch abgeschlossen ist, gelten hierbei die physikalischen Gasgesetzmäßgkeiten. Das heißt, der hermetisch abgeschlossene SZR lässt keinen Druckausgleich mit der Umgebung zu. Die Temperatur- und Druckverhältnisse am Produktionstag des Isolierglases sind somit eingeschlossen. Bei allen Änderungen von Temperatur oder Luftdruck verändert sich deshalb die Stellung der Scheiben zueinander, es kommt zu konvexen oder konkaven Durchbiegungen der beiden Außenscheiben. Wäre dies nicht der Fall und die Umgebungsluft könnte bei Druckänderungen in den SZR eindringen, wäre das Isolierglas aufgrund der eindringenden Feuchtigkeit innerhalb weniger Wochen oder Monate im SZR beschlagen.

Dieser Effekt zeigt sich bei allen intakten Isolierglassystemen. Erkennbar ist er oft sehr einfach an der Optik der Scheiben: konvexe oder konkave Veränderungen der Scheibenplanität führen zu Verzerrungen in der optischen Ansicht – das Bild oben zeigt so ein Beispiel der verzerrten Reflexion in der Außenansicht. Wird diese optische Verzerrung nicht gewünscht, kann man die Dicke der Außenscheibe gegenüber der Innenscheibe erhöhen. Dadurch wird das Ein- oder Ausbauchen der Außenscheibe reduziert, dafür muss die Innenscheibe wesentlich stärker bauchen und auch mehr Belastung aufnehmen und aushalten. Wer zu unbedacht vorgeht, riskiert schnell Glasbruch, vor allem, wenn neben den deutlich unterschiedlichen Glasdicken zusätzlich noch extrem ungünstige Scheibenformate (lange und schmale „Handtuchgrößen“) die auf das Glas einwirkenden Lasten zusätzlich verstärken bis über die Belastungsgrenze des Glases hinaus und damit zum Glasbruch. Die DIN 18008 weist auf diese Problematik hin, indem sie kritische Abmessungen aufzeigt: Zweifach-Isolierglas mit Scheibenbreiten der kurzen Kanten unter 600 mm und bei Dreifach-Isolierglas unter 700 mm sind bruchgefährdet.

Erhöhte Stressbelastung

Die Problematik des zu starken Ein- oder Ausbauchens von Isolierglas und der damit verbundenen erhöhten Stressbelastung von nicht vorgespanntem Glas bis zum Glasbruch kann bereits bei Gesamtscheibenzwischenräumen ab ca. 24 mm auftreten. Wer diese physikalischen Grundgesetze außer Acht lässt, muss im Extremfall mit kostspieliger Schadensbehebung rechnen. Das im Scheibenzwischenraum eingeschlossene Gas verändert sein Volumen bei Temperatur- und Luftdruckänderungen. Allein Temperaturveränderungen um 1 °C verändern das Gasvolumen um 1/273. So verändert sich das Volumen des SZR bei Temperaturveränderung um 27 °C auch um 10 %. Bei 2 x 14 mm SZR und 1 m2 Größe (z. B. 500 x 2000 mm, somit ca. 28 l Gasvolumen) bedeutet das eine Veränderung um 2,8 l. Da sich kleinformatige Scheiben nicht stark durchbiegen können, führt das zu einer starken Druckveränderung im SZR und zu einer Spannungserhöhung im Glas, die im Extremfall bis zum Glasbruch führen kann. Dieser Doppelscheibeneffekt wird grundsätzlich immer durch drei Parameter beeinflusst:

  • Temperaturänderungen (Sommer zu Winter)
  • Luftdruckänderungen (Hoch- oder Tiefdruck)
  • Einbau in anderen Höhenlagen als der Produktionsstandort.

Zu diesen nicht beeinflussbaren Parametern können weitere Einflussgrößen kommen, die diesen Effekt zusätzlich negativ beeinflussen:

  • Große Scheibenzwischenräume
  • Kleinformatige Scheiben
  • Ungünstiges Seitenverhältnis (lange, schmale Gläser)
  • Unterschiedliche Glasdicken
  • Absorbierende Glasaufbauten
  • Glas mit verminderter Bruchfestigkeit
  • Gewölbte Gläser
  • Sprossenisolierglas

Durch derart starke Spannungen verursachte Glasbrüche zeigen einen typischen Verlauf: Sie beginnen in Scheibenmitte und laufen in den Eckbereich aus. Da Glas die Eigenschaft besitzt, hohe Belastungen durchaus einen gewissen Zeitraum, aber nicht dauerhaft, auszuhalten, können derartige Glasbrüche auch erst Wochen, Monate oder gar Jahre nach dem Einbau entstehen, abhängig von Stärke und Einwirkungsdauer der vorhandenen Extremwetterlage.


Die Glasschäden-Serie im Überblick


Der Autor

Ekkehard Wagner ist Glasbruchexperte, Sachverständiger, Fachbuchautor und Lehrbeauftragter und war seit 1976 in der Glasbranche in den Bereichen Anwendungstechnik, Beratung, Vertrieb und Geschäftsführung tätig. Seit 2019 befindet er sich im Ruhestand („Unruhestand“).

Schematische Darstellung des Doppelscheibeneffekts von Zweifach-Isolierglas mit verschiedenen sich überlagernden Einwirkungen.
Foto: Ekkehard Wagner
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