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Keine Abnahme, und jetzt?

Gesetzliche Regelungen stärken Auftragnehmer bei Verweigerung der Abnahme
Keine Abnahme, und jetzt?

Keine Abnahme, und jetzt?
Die Zustandsfeststellung bei Verweigerung der Abnahme ist seit 2018 im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Der Beitrag zeigt ihre Umsetzung auf. Foto: Adobe Stock, Kzenon
Die Abnahme ist Dreh- und Angelpunkt des Bauvertragrechts. Denn damit beginnt beispielsweise die Verjährungsfrist der Mängel. Aber welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es für den Auftragnehmer, wenn die Abnahme verweigert wird?

Christian Niemöller und Jörg Teller

Bei im Vertrag vorgesehener förmlicher Abnahme unterrichtet der Auftragnehmer den Auftraggeber darüber, dass die Leistung nunmehr erbracht ist und dass ein möglichst zeitnaher Abnahmetermin verlangt wird. Obwohl die vertraglich vorgesehene förmliche Abnahme grundsätzlich die Anwesenheit beider Vertragspartner voraussetzt, gibt es Fälle, bei denen der Auftragnehmer erkennen muss, dass der Auftraggeber nicht bereit ist, zu einem Abnahmetermin zu erscheinen oder dass er die Abnahme wegen angeblicher Mängel verweigert.

Bedingungen bei Verweigerung der Abnahme

Die vorstehenden Fallgestaltungen sind in der Praxis nicht selten. Ohne die Abnahme der ausgeführten Bauleistung wird eine Schlussrechnung des Auftragnehmers grundsätzlich nicht fällig. In rechtlicher Hinsicht stellt sich die Frage, ob die Abnahme bzw. die Abnahmewirkungen erzwungen werden können und welche gesetzlichen Regularien bei einer Verweigerung der Abnahme gelten. Betrachtet wird der Zeitpunkt der Fertigstellung der Bauvertragsleistungen im Zustand „frei von wesentlichen Mängeln“. Nachstehend soll ein Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen gegeben werden.

Rechtswirkungen der Abnahme

Viele Bauverträge sehen die sogenannte förmliche Abnahme nach § 12 Abs. 4 VOB/B vor. Die förmliche Abnahme setzt grundsätzlich die Anwesenheit beider Vertragsparteien voraus. Daneben ist im Rahmen des Abnahmetermins gemäß § 12 VOB/B der Abnahmebefund festzustellen; dies wird üblicherweise mit einem Abnahmeprotokoll geleistet. Mit der Abnahme endet das Stadium der Vertragserfüllung. Der Auftraggeber kann ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich nur noch Mängelansprüche geltend machen. Daneben bewirkt die Abnahme der Bauleistung die Fälligkeit der Schlusszahlung, den Beginn der Verjährung von Mängelansprüchen sowie den Übergang der Gefahr für die erbrachte Leistung vom Auftragnehmer auf den Auftraggeber. Nimmt der Auftraggeber eine mangelhafte Leistung in Kenntnis eines Mangels ohne Vorbehalt ab, kann er gemäß § 640 Abs. 3 BGB Mängelansprüche verlieren.

Verweigerung und Erzwingen der Abnahme

Verweigert der Auftraggeber seine Teilnahme an einem gemeinsamen Abnahmetermin oder lässt den abnahmerelevanten Schriftverkehr schlicht unbearbeitet, hat der Auftragnehmer die Möglichkeit, die Abnahme bzw. die Abnahmewirkungen zu erzwingen.

Hierzu setzt die einschlägige Vorschrift des § 640 Abs. 2 BGB voraus, dass der Auftragnehmer dem Auftraggeber nach der vertragsgerechten Fertigstellung der Bauleistung eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt und der Auftraggeber die Abnahme nicht innerhalb der Frist unter Hinweis auf Mängel verweigert hat. Die Baujuristen sprechen insofern von einer fiktiven Abnahme, die grundsätzlich die gleichen Folgen wie die rechtsgeschäftliche Abnahme hat.

Zustandsfeststellung

Mit Wirkung zum 1. Januar 2018 hat der Gesetzgeber spezifische Regelungen für den Bauvertrag in das BGB aufgenommen (§§ 650a ff. BGB). Erstmals findet sich eine gesetzliche Regelung zur sogenannten Zustandsfeststellung bei Verweigerung der Abnahme in der neuen Vorschrift des § 650g BGB. Bis zur Einführung des Bauvertragsrechts nach den §§ 650a ff. BGB gab es im Bürgerlichen Gesetzbuch keine Regelung, die sich mit dem Instrument der Zustandsfeststellung und deren rechtlicher Bedeutung für die Abwicklung von Bauverträgen beschäftigte.

Wird die Geltung der VOB/B vereinbart, findet sich einzig unter § 4 Abs. 10 VOB/B eine Bestimmung zur Zustandsfeststellung. Hierbei handelt es sich jedoch ausschließlich um ein Instrument, das die Darlegungs- und Beweislast modifiziert, sodass der Anwendungsbereich bzw. die rechtlichen Konsequenzen dieser Zustandsfeststellung gering und im Wesentlichen auf die gemeinsame Abrechnungsfeststellung begrenzt sind. Die rechtlichen und damit tatsächlichen Auswirkungen der neuen Regelung unter § 650g BGB reichen darüber hinaus.

Gemeinsame Zustandsfeststellung

Voraussetzung für die gesetzlich geregelte gemeinsame Zustandsfeststellung nach § 650g BGB ist zunächst, dass der Auftraggeber die Abnahme unter Angabe mindestens eines einzigen Mangels verweigert hat. Hierbei ist zu beachten, dass durch den Wortlaut des Gesetzes qualitative Anforderungen an die Bedeutsamkeit dieses Mangels für den Gesamterfolg nicht gestellt werden. Weitere Voraussetzung für eine gemeinsame Zustandsfeststellung ist es, dass der Auftragnehmer diese als solche verlangt. Bei diesem Verlangen handelt es sich um eine Willenserklärung, die grundsätzlich keiner besonderen Form bedarf. Allerdings hat der Auftragnehmer darauf zu achten, dass der Adressat des Verlangens der Auftraggeber und nicht ein etwaiger Bauüberwacher, Projektsteuerer oder ähnlicher Dienstleister ist.

Verlangen nach Zustandsfeststellung

Die Folge eines Verlangens durch den Auftragnehmer, den Bauzustand gemeinsam festzustellen, wird in § 650g BGB recht lapidar formuliert: Der Auftraggeber hat an einer gemeinsamen Feststellung mitzuwirken. Dies bedeutet, dass das Merkmal der Gemeinsamkeit eine gewisse Einvernehmlichkeit zumindest hinsichtlich des Zwecks der Zusammenkunft voraussetzt. Die gesetzliche Regelung lässt im Weiteren alle Fragen zur Detaillierung der Zustandsfeststellung ungeklärt. Bei der gesetzlichen Formulierung, wonach der Auftraggeber auf Verlangen des Auftragnehmers an einer gemeinsamen Zustandsfeststellung mitzuwirken hat, ist zu beachten, dass hier kein erzwingbarer bzw. gerichtlich durchsetzbarer Anspruch begründet wird. Das Mitwirken kann nicht selbstständig eingefordert oder eingeklagt werden. Es wird lediglich als Obliegenheit gewertet, dessen Versäumen Rechtsnachteile für den Auftraggeber nach sich ziehen kann. Insofern begründet die unterlassene Mitwirkung des Auftraggebers keinen Schadensersatzanspruch, sondern eröffnet den Weg zur einseitigen Zustandsfeststellung unter den Voraussetzungen aus § 650g BGB. Zu den Förmlichkeiten der Zustandsfeststellung enthält die gesetzliche Regelung keine besonderen Vorgaben. Aus § 650g BGB ergibt sich lediglich, dass die gemeinsame Zustandsfeststellung mit der Angabe des Tages der Anfertigung zu versehen ist und beiderseits unterschrieben werden muss. Insofern gilt, dass zumindest eine Verschriftlichung der Zustandsfeststellung gefordert ist.

Einseitige Zustandsfeststellung

Die einseitige Zustandsfeststellung durch den Auftragnehmer soll nur dann möglich sein, wenn der Auftraggeber einem im Sinne von § 650g BGB vereinbarten Termin zur gemeinsamen Zustandsfeststellung ferngeblieben ist. Insofern soll nach dem Gesetz ausreichen, dass der Auftraggeber und der Auftragnehmer eine gemeinsame Zustandsfeststellung verabredet haben. Besondere Förmlichkeiten sieht das Gesetz auch hier nicht vor. Gelingt eine Terminvereinbarung nicht, kann der Auftragnehmer einen Termin innerhalb einer angemessenen Frist bestimmen. Wie angesprochen, ist eine weitere Voraussetzung für die einseitige Zustandsfeststellung das Nichterscheinen des Auftraggebers zum vereinbarten oder aber unter Beachtung der Angemessenheitskriterien festgelegten Termin. Der Begriff des Fernbleibens wird so zu verstehen sein, dass allein die körperliche Anwesenheit noch nicht ausreicht, um ein Fernbleiben zu vermeiden. Ferngeblieben dürfte der Besteller auch dann sein, wenn er zwar körperlich zum Termin erscheint, jedoch jedwede konstruktive Mitwirkung an der Zustandsfeststellung als solcher verweigert, also weder aktiv noch passiv teilnimmt und auch seine Position zum Bauzustand in keiner Weise artikuliert. Dem Auftragnehmer ist anzuraten, eine Verweigerungshaltung des Auftraggebers im Protokoll zu dokumentieren und damit beweiskräftig festzuhalten.

Durchführung der Zustandsfeststellung

Sind die Voraussetzungen nach § 650g Abs. 2 BGB erfüllt, kann der Auftragnehmer die Feststellung des Zustands einseitig vornehmen und mit dieser die Vermutungswirkung nach § 650g Abs. 3 BGB anstreben. Verweigert der Auftraggeber die einseitige Zustandsfeststellung, beispielsweise durch ein Betretungsverbot, wird dies rechtlich so zu behandeln sein, wie wenn die Zustandsfeststellung durchgeführt worden wäre. Hier dürften die Grundsätze zur Beweisvereitelung im Zivilprozess Anwendung finden. Dies bedeutet, dass das Gericht das bestmögliche Ergebnis des vereitelten Beweismittels in seiner Gesamtwürdigung einstellen kann. Wie angesprochen, ist ein schriftliches Dokument zu erstellen: Die Zustandsfeststellung ist schriftlich zu protokollieren, zu datieren und zu unterzeichnen.

Rechtsfolgen der Zustandsfeststellung

Die Zustandsfeststellung begünstigt den Auftragnehmer. Wesentliche Voraussetzung der Zustandsvermutung ist, dass das Werk dem Auftraggeber nach § 650g BGB verschafft wurde. Der Auftraggeber muss das Werk mithin in unmittelbarem Besitz halten. Dann wird eine Vermutung begründet, die faktisch dazu führt, dass zumindest für nach der Zustandsfeststellung aufgetretene offenkundige Mängel eine Vorverlagerung des Gefahrenübergangs auf den Auftraggeber stattfindet. Die Vermutungswirkung des § 650g BGB erstreckt sich dabei auf zwei Tatbestände: Nämlich einmal darauf, dass ein offenkundiger Mangel nach einer zuvor durchgeführten Zustandsfeststellung entstanden ist und des Weiteren darauf, dass der nach diesem Zeitpunkt entstandene offenkundige Mangel auch vom Auftraggeber zu vertreten ist. Wichtig hierbei ist, dass die Wirkungen der rechtsgeschäftlichen Abnahme im Übrigen hierbei noch nicht eintreten.

Bedeutung für die Baupraxis

Obwohl die Vorschrift des § 650g BGB nunmehr seit etwa vier Jahren in Kraft ist, hat die Vorschrift bislang noch keine große Anwendungsbreite erreicht. Die einseitige Zustandsfeststellung ist grundsätzlich nur möglich, wenn dem Auftraggeber der unmittelbare Besitz an der Bauleistung verschafft wurde. Dies schränkt den Anwendungsbereich insbesondere bei Nachunternehmerketten ein. Dennoch handelt es sich um ein gutes Instrument, um die erbrachte Leistung beispielsweise mit Blick auf einen möglichen späteren Rechtsstreit zu dokumentieren. Auch Projektsteuerer und Objektbetreuende sollten sich mit den gesetzlichen Vorschriften vertraut machen, da sich die Thematik für sie zur Haftungsfalle entwickeln kann.


Die Autoren

Professor Christian Niemöller und Jörg Teller sind Rechtsanwälte und in der Kanzlei SMNG im Bereich des privaten Baurechts tätig.

www.smng.de

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